Gabetta und Grimaud: Zu zweit im Saal mit Cello und Klavier

Der große Saal der Philharmonie ist an diesem Abend nicht nur bis auf den letzten festen Platz besetzt. Auch auf dem Podium bilden zusätzliche Podeste mit Stuhlreihen ein Halbrund, das die Zuhörer dicht an die Musikerinnen heranrückt. Die Pianistin Hélène Grimaud und die Cellistin Sol Gabetta sind alles andere als ein langjährig eingespieltes Kammermusikduo. Ihr gemeinsames Konzert umgibt vielmehr, ebenso wie die gerade erschienene CD mit demselben Programm, die Aura eines Gipfeltreffens zweier Individualistinnen, deren Wege sich jetzt endlich kreuzen.

Hélène Grimaud vermittelt ihre Persönlichkeit ja auch durch Bücher über den Schutz der Natur und ihr Engagement für Menschenrechte an ihre Fans. Aber Sol Gabetta, bei deren erstaunlicher Karriere man beinahe vergisst, dass sie gerade knapp über dreißig ist, zieht das Publikum durch ihre rein musikalische Rätselhaftigkeit an. Von ihr geht etwas schwer Definierbares aus, das auch durch ihre kindfrauliche Erscheinung verstärkt wird. Sie ist eine technisch fantastische Cellistin, die ihr Instrument mit der Leichtigkeit einer Geigerin im Griff hat, und die die virtuosen Eskapaden in Schostakowitschs Cellosonate aus dem Ärmel schüttelt.

Aber es fällt schwer, ihren eigenen Ton zu charakterisieren. Sie hat von all den Qualitäten, die andere Cellisten oft einseitig kultivieren, etwas. Ihr Cello kann ein bisschen grummelig klingen, wie am Anfang der e-Moll-Sonate von Brahms mit dem Thema auf der tiefsten Saite. Sie kann beschwingte Eleganz entfalten, Süße auch, doch das aufdringlich Gefühlige ist ihr fern. Die Nuancierungen ihres Vibratos erscheinen unerschöpflich, und sie liebt es, Spannung durch Wegnehmen der Farbe zu erzeugen, was ihr auch am Montag gelingt wie wenigen sonst.

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Das Cello kommt nicht immer zur Geltung

Schon die ersten Takte des Konzerts mit Schumanns „Fantasiestücken“ machen aber auch deutlich, dass es sich bei Grimaud und Gabetta keineswegs um eine ideale Duobesetzung im herkömmlichen Sinn handelt. Dafür ist Grimauds voller Griff in die Tasten des hoch aufgeklappten Flügels zu dominierend und Gabettas Ton insgesamt zu schwach. Es bleibt auch in Brahms’ Sonate so, dass vieles von den Finessen im Spiel der Cellistin nicht recht zur Geltung kommt. Aber dieses Bild verändert sich in den Sonaten von Debussy und Schostakowitsch nach der Pause, denn hier lassen die Komponisten im Klaviersatz einfach mehr Luft, sodass das Cello sich freier entfalten kann.

Trotzdem ist es so, dass das Spiel dieses Duos bei aller rein klanglichen Unbalanciertheit nicht nur enorme Energie ausstrahlt, sondern auch in hohem Maße beseelt und inspiriert wirkt, gerade in den Schumann-Stücken, denen dieses Vorpreschende des Klaviers ja auch eingeschrieben ist, als etwas Utopisches im beschwingten Dialogisieren der zwei so grundsätzlich ungleichen Instrumente. Und nachdem man sich in die eigenartige Klangkonstellation eingehört hatte, lösten die risikofreudigen Interpretationen nach der Pause auch letzte Zweifel. Wie in Schostakowitschs großer Sonate, die zwischen Parodie, Kritik und identifikatorischem Gefühl schwer zu fassen ist, durch die hintergründige Kombination von Klangfarbe, Tempo und Artikulation durchweg etwas Ambivalentes erhalten blieb, das war von hinreißender Überzeugungskraft.