Gedenktafel für den Schwarzen Bürgerrechtler W.E.B. Du Bois an der Humboldt Uni

Er war einer der bedeutendsten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts. Nun widmet die Humboldt Uni W.E.B. Du Bois eine Gedenktafel. Wir waren bei der Einweihung.

Eröffnung der W.E.B. Du Bois Gedenktafel in der Humboldt Uni Berlin, wo der Intellektuelle einst selbst studierte.
Eröffnung der W.E.B. Du Bois Gedenktafel in der Humboldt Uni Berlin, wo der Intellektuelle einst selbst studierte.Anthony Obst

Zur Frage, was W.E.B. Du Bois für Berlin bedeutet, findet der Künstler Jean-Ulrick Désert, der das jüngst eingeweihte Du-Bois-Denkmal der Humboldt-Universität entwarf, einprägsame Worte: „Du Bois bedeutet für jeden Berliner etwas anderes. Weder die Stadt noch die Universität ist ein Monolith. Was bedeutet er für eine gebürtige Berlinerin im Gegensatz zu einem ausländischen Studenten? Was bedeutet er für eine weiße Studentin oder einen schwarzen Studenten?“

Die Denkmäler der Universität machten zu seinen Lebzeiten einen Eindruck auf Du Bois. In seiner ersten Autobiographie „Dusk of Dawn“ beschreibt er den Moment seiner Immatrikulation an der damaligen Friedrich-Wilhelms-Universität 1892. Der Autor erinnert sich an den „großen Raum mit einer hohen Decke, geschmückt mit Büsten der berühmten Berliner Professoren“. Jetzt hat Du Bois in diesem Gebäude sein eigenes Denkmal. Am 1. Juli 2022 feierte die Humboldt-Universität die offizielle Einweihung ihrer Gedenktafel, die an die Zeit erinnert, wo der später wegweisende Philosoph, Soziologe und Aktivist diese Hallen durchquerte. Du Bois ist damit nicht nur die erste Schwarze Person, dem die Universität diese Ehre erweist. Sondern auch die erste Person, die als ehemaliger Student geehrt wird.

Weshalb ihm diese Ehre zuteil wird, ist mit einem Blick auf Du Bois' Errungenschaften schnell erkenntlich: In seinen 95 Lebensjahren revolutionierte er die Soziologie, schrieb die amerikanische Geschichte um und begründete die „Black Studies“ avant la lettre. Politisch war er zunächst als Bürgerrechtler und Mitbegründer der panafrikanischen Bewegung aktiv, später verstärkt als Kriegsgegner und antikolonialer Kommunist. Das Karl-Marx-Zitat, das heute im Foyer der Humboldt-Universität auf den Stufen steht – „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern“ –, verkörperten wenige so sehr wie er. Was aber bedeutete Berlin für Du Bois?

Der Intellektuelle W. E. B. Du Bois
Der Intellektuelle W. E. B. Du BoisImago

Wie durch einen Schleier von der weißen Welt abgetrennt

Dass er seine Forschung sein Leben lang in den Dienst gesellschaftlicher und politischer Veränderung stellte, hat auch mit Du Bois’ Berlin-Zeit zu tun. Im beschaulichen Great Barrington, Massachusetts, geboren, entwickelt er früh ein Verständnis von Unrecht – insbesondere dem rassistisch bedingten, das ihn, wie er in „Die Seelen der Schwarzen“ beschreibt, wie durch „einen riesigen Schleier“ von der weißen Welt abschneidet. Im Jahr seiner Geburt 1868 liegt die offizielle Abschaffung der Versklavung erst drei Jahre zurück. Rassistischer Terror bleibt in den USA weit verbreitet. In Du Bois’ erstem Berlin-Jahr 1892 beschreibt die Journalistin und Aktivistin Ida B. Wells unter dem vielsagenden Titel „Southern Horrors“ die Gräueltaten, die Weiße insbesondere in den Südstaaten an Schwarzen begehen.

Dem jungen Du Bois ermöglichen seine schulischen Leistungen eine außergewöhnliche Laufbahn. Nach seinem Studium an der historisch schwarzen Fisk University im segregierten Tennessee gelingt es ihm, einen Platz an der renommierten Harvard University zu ergattern. Selbst Harvard orientiert sich zu der Zeit am deutschen Universitätswesen. Du Bois’ Biograph David Levering Lewis, den die Humboldt-Uni für eine kurze Ansprache zur Einweihung der Gedenktafel eingeladen hat, beschreibt die Berliner Universität als den damaligen „Goldstandard für akademische Leistung“.

Du Bois setzt sich bereits in jungen Jahren das Ziel, als Gelehrter den gesellschaftlichen Stand der afroamerikanischen Bevölkerung anzuheben. In Berlin erlernt er wichtige Teile des Handwerks für jene „racial uplift“-Ideologie. Zu Du Bois' Professoren zählten mit Gustav von Schmoller und Adolph Wagner zwei Hauptvertreter der jüngeren Historischen Schule der Nationalökonomie, die sich für eine Forschung im Dienste gesellschaftlicher Parität stark machten und Modelle für ein moralisches, staatliches Eingreifen in die Marktwirtschaft entwickelten. Auch politisch weckt Berlin in Du Bois ein Interesse, welches er später vertieft: Die Treffen der lokalen SPD in Pankow sind seine ersten Berührungspunkte mit dem Marxismus, dem er sich ab Mitte der 1930er-Jahre verschreibt.

Gedenktafel in den Gängen der Humboldt Universität Berlin
Gedenktafel in den Gängen der Humboldt Universität BerlinAnthony Obst

Du Bois' Jahre in Berlin sind bedeutend

Du Bois’ Lehrjahre in Deutschland sind für ihn auch deshalb bedeutend, weil sie ihm zum ersten Mal eine Distanz zu seinem Heimatland und dem für ihn dort allgegenwärtigen Rassismus ermöglichen. 1950 schreibt er über Deutschland: „In diesem Land traf ich zum ersten Mal Weiße, die mich als Mensch behandelten.“ Doch Du Bois’ Deutschlandaufenthalt ist nicht frei von rassistischen Erfahrungen: Bei einem Besuch in Lübeck etwa überwältigt ihn die übergriffige Neugier der Einheimischen. Und in einer Berliner Vorlesung äußert sich der antisemitische Geschichtsprofessor Heinrich von Treitschke herablassend mit einer rassistischen Beleidigung.

Diese Erfahrungen sollten üble Vorboten für das werden, was Du Bois bei seinem nächsten längeren Berlin-Besuch erwartete, auf seiner Reise ins nationalsozialistische Deutschland 1936. Nach der Veröffentlichung seiner monumentalen Studie „Black Reconstruction,“ in der er auch die undemokratischen Verhältnisse in den USA anprangert, begibt sich der damals 68-Jährige auf Weltreise, um die Krise des Kapitalismus und der Demokratie zu studieren. Über die antisemitische Kampagne der Nazis, die er damals beobachtet, schreibt er nach seiner Abreise, dass sie „an rachsüchtiger Grausamkeit und öffentlicher Beleidigung alles übertrifft, was ich je gesehen habe“.

1958 kehrte Du Bois ein weiteres Mal in ein inzwischen geteiltes Berlin zurück. Sechs Jahre zuvor hatte ihm die amerikanische Regierung im antikommunistischen Fieber seinen Reisepass entzogen. Ihm wurde vorgeworfen, durch eine Petition gegen Atomwaffen, die er in Umlauf brachte, die nationale Sicherheit zu gefährden. Als ihm im Alter von 90 Jahren das Reisen wieder ermöglicht wird, erteilt ihm die inzwischen zur Humboldt-Universität umbenannte Hochschule der DDR die Ehrendoktorwürde.

Du Bois lebte in Kreuzberg und Schöneberg

In den 1890er-Jahren hatte eine administrative Hürde seinen Berliner Doktortitel verhindert. Die drei Semester, in denen er unter anderem in der Oranienstraße und am Schöneberger Ufer lebte, entsprachen nicht den erforderten sechs Studiensemestern für Doktoranden. Den Doktortitel, den Du Bois 1895 als erste Schwarze Person von Harvard erlangte, war sein Trostpreis, wie er selbst zu scherzen pflegte.

Im selben Senatssaal, wo Du Bois zum Ehrendoktor wurde, findet nun 64 Jahr später auch die Einweihungsfeier für sein Denkmal statt. Das reflektiert, wie Dorothea Löbbermann, Professorin für Amerikanistik und eine treibende Kraft hinter dem Denkmal, es formuliert, „die lange Geschichte Schwarzer Wissensproduktion in einem komplizierten transatlantischen und sogar globalen Kontext“. Aus Accra, Ghana, wo Du Bois 1963 als ghanaischer Staatsbürger verstarb, ist für die Einweihung eine Leiterin des W. E. B. Du Bois Centre per Livestream zu der Einweihung zugeschaltet. Aus Hawaii meldet sich mit Arthur McFarlane II ein Urgroßenkel. Neben dem Biographen David L. Lewis hält unter anderem auch ein Vertreter der Botschaft der USA eine Ansprache.

Besonders im Sinne von Du Bois ist auch die letzte Ansprache des Abends. Sie stammt von Alina Weiermüller, Mitbegründerin und Präsidentin der Black Student Union der Humboldt-Universität. Sie betont die strukturelle Benachteiligung, mit denen Schwarze Studierende auch heute noch im deutschen Uni-System zu kämpfen haben. „Wenn die Universität dem Vermächtnis von W. E. B. Du Bois wirklich gerecht werden will“, so Weiermüller, „muss sie über Gesten der Repräsentation hinausgehen und einen Raum schaffen, in dem Schwarze Studenten wegen und nicht trotz ihrer Umgebung Erfolg haben.“