Gerhard Richter ist der wichtigste lebende Künstler der Welt

Der „Kunstkompass“ setzt den gebürtigen Dresdner Maler zum 18. Mal auf Platz eins der Welt-Hitliste. Und den Schamanen Joseph Beuys neben Göttervater Zeus.

Das Universum der Farben dieser Welt: Gerhard Richter vor einer Museumswand mit seinem Farbfeld-System
Das Universum der Farben dieser Welt: Gerhard Richter vor einer Museumswand mit seinem Farbfeld-SystemAFP/Fabrice Coffrini

Er wird es abermals  gelassen zur Kenntnis nehmen, womöglich lakonisch sagen, Ruhm sei nur ein Ross, das ohne Reiter vorm Höllentor ankomme. Der 89-jährige, in Köln lebende Maler Gerhard Richter, geboren in Dresden, kurz vorm Mauerbau 1961 in den Westen geflohen, in den vergangenen 60 Jahren zum Superstar geworden, wird erneut mit dem Superlativ als wichtigster Künstler des irdischen Universums bedacht.

Manche nennen ihn den „Picasso des 21. Jahrhunderts“. Seine Bilder sind gefragt wie Goldstaub. Es werden unvorstellbare Summen gezahlt. Wofür? Es sind Gemälde, die sich schwerlich beschreiben lassen. Bilder, die dem „Nichts“ zustreben, die kaum oder gar nichts erzählen. Sie deuten nur noch an, was sich nicht mehr auffinden und sich nicht anfassen lässt: Landschaft, Wolkenhimmel, Erde, Wasser, Blumen, Frauen, Kinder. Schönheit eben. Aber auch RAF-Terroristen, Kriegsflugzeuge, Nazis und deren hilflose Opfer, sogar in seiner eigenen Dresdner Familie. Und die Asche sowie Felder und Wälder von Auschwitz-Birkenau. Das alles malte er, bevor er vor einiger Zeit erklärte, „nun wegen der körperlichen Anstrengung beim Malen nur noch zu zeichnen“. Er malte Banales:Stuhl, Tisch, Tür, Fenster, Klopapier, und einen verwelkenden Strauß gelber Tulpen. Auch Kirchenfenster, modern-sakral für den Kölner Dom wie auch für ein uraltes Kloster. Richter testet aus und beweist der Welt, „was Malerei überhaupt noch kann“. Und diese Welt der Kunst antwortet mit rühmenden Worten und astronomischen Preisen für die Bilder. Ihn versetze das zunehmend „in einen Gefühlszustand zwischen peinlich und genüsslich“.

Unter den toten Künstlern ist Joseph Beuys nunmehr die Nummer eins neben Göttervater Zeus im Olymp.
Unter den toten Künstlern ist Joseph Beuys nunmehr die Nummer eins neben Göttervater Zeus im Olymp.Imago/Sven Simon
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Die einflussreiche Ranking-Plattform „Kunstkompass“ erfasst über 30.000 Künstler der Welt, bewertet aber, wie nachdrücklich betont, deren Rang nicht etwa nach den inzwischen horrenden Summen bei Auktionen und Verkäufen, sondern allein nach Ausstellungs- und Rezensionsbewertungen der internationalen Kunstkritik. Das Ranking erscheint alljährlich im Magazin „Capital“ und setzt Richter soeben zum 18. Male auf Platz eins der Weltkunst-Liste, die seit 70 Jahren geführt wird und gewissermaßen eine Art Ritterschlag bedeutet.

Auch die nächste Rangfolge bleibt unverändert: Auf Platz zwei steht der US-Künstler Bruce Nauman, dahinter folgen zwei Deutsche: Der ebenfalls aus Sachsen und schon 1958 in die BRD übergesiedelte Maler Georg Baselitz mit seinen typischen Kopf-unter-Figuren, sowie die seit ihrer Zeit an der Düsseldorfer Kunstakademie berühmt gewordene Malerin Rosemarie Trockel. In der Bewertungsetage „Olymp“, von wo die verstorbenen Künstler das Kunstgeschehen auf Erden betrachten, wird der 100-jährige Joseph Beuys neben Göttervater Zeus platziert. Die Künstler-Legende der „Sozialen Skulptur“, für die jeder Mensch auch ein Künstler war, ließ im olympischen Ranking 2021 andere Kunstheilige der Nachkriegszeit hinter sich – erstmals den  Pop-Art-Superstar Andy Warhol. Und dann  gab es noch eine kuriose Wahl bei den „Stars von morgen“.  Die Liste der Entdeckungen wird von einer Greisin angeführt, von der 92-Jährigen Japanerin Yayoi Kusama, der in einer psychiatrischen Einrichtung lebenden Meisterin der kunterbunten „Polka Dots“. Von deren fulminanter Schau  im Berliner Gropius-Bau, die Heerscharen von Kindern anzieht, redet gerade alle Welt. 

Und dann gab es