Gurlitt-Sammlung: Kunstmuseum Bern nimmt die Gurlitt-Sammlung an
Am 6. Mai diesen Jahres starb der Münchner Kunstsammler Cornelius Gurlitt in seiner Wohnung. Er durfte noch die Genugtuung erleben, dass die Augsburger Staatsanwaltschaft seine vor fast drei Jahren als Steuerschuldensicherung beschlagnahmten, seit dem Herbst 2013 aber als „Nazi-Schatz“ weltberühmt gewordenen Kunstwerke zurück geben musste. Als das Testament am 7. Juni eröffnet wurde, stellte sich heraus, dass Gurlitt das Kunstmuseum in Bern als Alleinerben eingesetzt hatte. Die Nachkommen gaben zudem bekannt, dass sie das Erbe dieser Sammlung - das zwar nicht 100 Millionen, wie zunächst spekuliert worden war, aber doch viele Millionen wert sein dürfte – nicht antreten wollen.
Cousine erhebt Ansprüche
Nun hat sich das Kunstmuseum in Bern nach langem Überlegen wohl entschlossen, das Erbe zu übernehmen. Das meldete am Freitag die Agentur dpa. Zwar wird in Bern betont, dass der Stiftungsrat erst am Wochenende endgültig entscheide, auch hat am Freitag die Cousine Gurlitts, Uta Werner, Anspruch erhoben. Welche Auswirkungen das hat, war am Freitag nicht klar. Doch am Montag soll in Berlin eine Pressekonferenz mit Vertretern des Landes Bayern, Kulturstaatsministerin Monika Grütters und des Museums Bern stattfinden. Es weisen also viele Zeichen in die Richtung, die Gurlitt gewiesen hat. Bern träte dann nämlich auch in sein rechtliches Vermächtnis ein und wäre sicher vor peinlichen Rückgabe-Debatten.
Im April diesen Jahres hatte Gurlitt mit Vertretern der Bundesregierung vereinbart, dass aus seiner Sammlung alles das, was als „Raubkunst“ zu identifizieren ist, an die Erben von zwischen 1933 und 1945 verfolgten und ermordeten Juden zurückgegeben wird. Die Bestände, die in der Sammlung aus den Aktionen der Nazi-Aktion „Entartete Kunst“ stammen, sollte er behalten dürfen. Sie gingen nun an das Berner Museum.
Ihr Kulturgutraub seit 1933 betraf hauptsächlich Juden. Er hatte kaum kulturpolitische Ziele. Es ging um die Bereicherung der deutschen Museen, Bibliotheken und Archive sowie der privaten Sammlungen Görings, Hitlers, Goebbels’ und Himmlers sowie ihrer Satrapen durch die Ausplünderung erst der deutschen Juden und nach Kriegsbeginn des besetzten Europa und Nordafrika. Die Aktion „Entartete Kunst“ dagegen war ideologisch motiviert. Die Nazis wollten die staatlichen Sammlungen Deutschlands reinigen von dem, was sie als jüdisch, kulturell minderwertig, unkünstlerisch oder subversiv betrachteten. Die Aktion war ein klassischer Bildersturm. In Auktionen und über vier Kunsthändler, von denen der Vater von Cornelius Gurlitt, Hildebrand Gurlitt, einer war, wurden Tausende von Werken der Moderne auf den Markt gebracht. Sie gelangten in Privathand, aber auch in öffentliche Sammlungen in den USA, Kanada, der Schweiz, Frankreich oder Großbritannien sowie der Bundesrepublik. Manches blieb auch bei den Kunsthändlern. Die Alliierten nahmen nämlich die Vergeudung öffentlichen Eigentums durch die Nazis auf Druck des Kunsthandels und der Museen aus ihren Rückgabeverfügungen aus: Ein Staat, so die Begründung, darf sich selbst schädigen.
Kurze Verjährungsfristen
Das, was Hildebrand Gurlitt an „Entarteter Kunst“ erworben hatte, blieb sein Besitz, und eventuelle Raubkunst-Fälle sind durch die in Deutschland skandalös kurzen Verjährungsfristen legalisiert. Der „Fall Gurlitt“ ist deswegen inzwischen Symbol für den spurenverwischenden Umgang des Kunsthandels, der Museen, der Sammler und der deutschen Bevölkerung mit dem Erbe des Raubzugs der Nazis. Doch rechtlich ist ihm kaum beizukommen. Auch der Vorstoß von Jutta Limbach, einst Bundesverfassungsgerichts-Präsidentin, wird das nicht ändern. Sie schlug einen Rundtausch unter deutschen Museen vor, um die Eigentumsverhältnisse wieder herzustellen. Aber welches Interesse haben Museen im Rheinland oder in Süddeutschland, mit ihren nach 1945 teuer erworbenen Beständen die Berliner Nationalgalerie zu rekonstruieren?
Sinnvolles Ende eines Skandals
Eine weitere Regelung der Vereinbarung mit Gurlitt ist, dass die Bundesrepublik die Recherche der Herkunftsgeschichte finanziert. Nur so war das Rückgabe-Zugeständnis Gurlitts zu erreichen. Auch diesen Passus dürfte Bern übernehmen. Einer der größten Kunstskandale könnte so ein sinnvolles Ende nehmen, und zu danken wäre es wesentlich, welche Ironie, Cornelius Gurlitt. Er hat nicht juristisch aufbegehrt, als die Zollbehörde sein Privatleben bloßstellte, er von ihr und den Medien als verwirrter Kauz dargestellt wurde, sein Eigentum ohne juristische Begründung veröffentlicht wurde. Er hat zugestimmt, Raubkunst zurückzugeben. Welcher Privatsammler hätte das je getan? Die testamentarische Verfügung an das Berner Kunstmuseum entlastet die Bundesrepublik von der Peinlichkeit, diesen Schatz entweder den Nachkommen Gurlitts übergeben zu müssen oder irgendeine Unterbringung zu suchen. Und welches Museum in Deutschland hätte ein solches Erbe zeigen können? Das Museum in Bern hingegen kann sich freuen.