„Hart aber fair“ : Tim Mälzer und der Kampf gegen die Zucker-Mafia - TV Kritik

Nun ja, es hätte auch noch ein paar andere Themen gegeben: Das Interview-Fernduell zwischen Sigmar Gabriel und Angela Merkel etwa mit Merkels schwurbeligen Sätzen zur Kanzlerkandidatur, die das politische Berlin momentan zum Kochen bringen. Die gute alte K-Frage, das wäre doch was für Frank Plasberg gewesen.

Der „Hart aber fair“-Moderator kümmerte sich im Anschluss an den großen Ernährungs-Check von Tim Mälzer am Montag lieber um die große Z-Frage: „Der Feind in meinem Essen – wie ungesund sind Zucker und Co.?“ Ein Verbraucherthema also, das gerade ein bisschen in Mode ist. Los geht's: Die Schokolade wird schnell vom Couchtisch zurück in den Küchenschrank gelegt.

Eine Frage schwirrt im Kopf: Wird man jetzt noch etwas lernen können, das nicht in den unzähligen Ernährungsratgebern oder in den Gesundheitsrubriken der Magazine gestanden hat? So viel vorweg: Es wurde eine genussfeindliche Debatte, in der auch noch eine TV-Moderatorin erzählen durfte, wie sie seit Jahren zuckerfrei lebt.

Die Gäste

Tim Mälzer, TV-Koch

Mälzer warnte energisch bis emotional vor der „Zuckerspirale“. Weil viele Verbraucher gar nicht wüssten, wie viel Zucker auch in vermeintlich gesunden Lebensmitteln, wie Frühstücks-Müsli steckt, würden schon Kleinkinder mit dem Suchtstoff Zucker angefüttert.

Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft

Der CSU-Politiker fiel zuletzt damit auf, dass er versuchte bei populären Tierschutzthemen den harten Hund zu geben (Schlagzeilen: „Kampf gegen die Welpenmafia“ und „So stoppe ich den Küken-Mord“). Bei Plasberg gab er sich eher zahm und auf Seiten der Zucker-Produzenten. Tenor: Verbote bringen gar nichts.

Günter Tissen, Geschäftsführer der „Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker“

Tissen setzt, wenig überraschend, auf den mündigen Verbraucher. Jeder soll selbst entscheiden. Das Produkt Zucker werde vor allem verteufelt.

Silke Schwartau, Verbraucherzentrale

Die Ernährungsexpertin ärgert sich vor allem über eine Selbstverpflichtung, der Industrie, weniger Zucker einzusetzen, die keinen Erfolg brächten und warnte vor einer „Riesendiabtes-Welle“. Sie will eine Zuckersteuer.

Alfred Hagen Meyer, Anwalt

Der Jurist und Herausgeber eines Lebensmittel-Magazins vertrat die Interessen der gescholtenen Joghurt-, Kindersekt- und Müslihersteller. Tenor: Alle Inhaltsstoffe stehen auf de Verpackung, man muss sie nur lesen.

Anastasia Zampounidis, TV-Moderatorin

Die frühere MTV-Frau durfte sich vom Plasbergschen Betroffenen-Stehtisch einschalten und ihren Werdegang von der Zuckersüchtigen(„Eine Tafel Schokolade war für mich gar nichts“) zur geläuterten Süß-Verweigerin erläutern. Seit zehn Jahren verzichtet die 48-Jährige nach eigenen Angaben komplett auf das süße Zeug. Das Ergebnis findet sie überwältigend: Man altere langsamer, die Haut werde besser. Zwei Nachteile hat der aufwendige Ernährungsstil aber offenbar: Man werde zum Freak und brauche plötzlich sehr viel Zeit zum Kochen. Das will ja auch nicht jeder.

Die Diskussion

Plasberg bringt die Debatte schnell auf eine Betriebstemperatur, die beim Thema Ernährung inzwischen wohl üblich ist: Es wird leicht hysterisch. Ein völlig überzuckerter Kindersekt wird herumgereicht – der als perfektes Partygetränk für den Kindergeburtstag beworben wird. Schön bunt und zu süß, wie der Moderator meint. Bei so einer Marketingmasche, die die Kleinen einfangen soll „kann ich mir überlegen wird mein Kind Diabetiker oder Alkoholiker“, meint Plasberg. Ist also die Industrie Schuld, Müsse es Obergrenzen für den Zuckereinsatz geben? Immerhin steigen die Diabetes-Zahlen seit Jahren, wie Frank Plasberg noch hinterherschiebt.

Eine echte Debatte will nicht aufkommen. TV-Koch Mälzer ist auf Plasbergs Seite: „Da werden Kinder visuell abhängig gemacht“, schimpft er mit Blick auf die bunten Packungen. Mälzer gegen die böse Zucker-Mafia - es klingt als fordere er ein Werbeverbot für bunte Cornflakes-Pakete. Der Vertreter der Zuckerindustrie kontert: Der Zucker sei ja nicht das Problem, sagt Gunter Tissen, die Menge entscheide eben. Wer sich viel bewege, vertrage auch mehr Zucker. Das müsse jeder für sich selbst entscheiden. Eltern für ihre Kinder. Der Zuckerkonsum sei übrigens seit Jahrzehnten konstant. Das stimmt für den klassischen weißen Zucker, der Konsum anderer Sorten wie Glukose hat jedoch stark zugenommen.

Wie Tissen sieht es auch Ernährungsminister Christian Schmidt: Die Eltern müssten auch mal einen Blick auf den Zuckergehalt, der auf der Packung stehe, werfen, meint der CSU-Politiker. Im übrigen plane er mehr Enährungsbildung in der Schule und einen „Nationalen Aktionsplan''. Was das sein soll, bleibt leider völig offen. Man wird einfach nicht schlauer an diesem Abend.

Eine klassische Talkshow-Debatte versüßte die Plasberg-Stunde dann doch noch: Brauchen wir Steuerhöhungen, fragt Plasberg in bester Polit-Talker-Routine. Eine Zuckersteuer, wie sie Großbritannien einführen will, befürwortet auch die die Frau von der Verbraucherzentrale. Minister Schmidt ist dagegen, wenn zu süße Produkte teurer würden, dann laufe es wie nach der Einführung der inzwischen wieder abgeschafften Fett-Abgabe in Dänemark. „Dann gibt es Ausweicheffekte“, glaubt Schmidt. Bei den Nachbarn ging da etwa der Salzkonsum in die Höhe. Noch so ein Teufelszeug.

Das Fazit

Dass es Frank Plasberg manchmal gelingt mit leichten Verbraucherthemen unterhaltsame wie informative Sendungen zu produzieren, hatte man an diesem Abend schnell wieder vergessen. Erwartbar alarmistisch war der Abend, aber ohne neue Erkenntnisse und echte Lösungsansatz, dafür mit dem bösen Ernährungszeigefinger. Nicht süß, sondern fad.