Der Berliner begreift sich als Großstädter, er fährt mit der U-Bahn, macht die Nacht zum Tag, speist in Restaurants oder auch dem Imbiss um die Ecke, kauft Nahrung im Supermarkt. Die enge Verbindung zur Natur ist ihm abhandengekommen, wähnt er sich doch unabhängig von ihr. Die Krone der Schöpfung, also der Berliner, macht was er will, denkt er zumindest. Doch in Wahrheit schlummern in ihm die uralten Triebe, ist er aus der Altsteinzeit nie wirklich herausgekommen.
Das lässt sich dieser Tage in Brandenburgs Wäldern beobachten. Zwar nähert der Berliner sich ihnen im Automobil, doch kaum hat er die Tür des Wagens hinter sich zufallen lassen, geht es los. Erwachsene Männer, die mit ihrem Körbchen überm Arm an Rotkäppchen erinnern, verlassen die Waldwege, schieben Äste zur Seite, schlagen sich durchs Unterholz, die Augen fest auf den bemoosten Boden geheftet, über den es sich wie auf einer Matratze geht. Sie nehmen Witterung auf: Ah, hier ein Butterpilz, dort eine Marone. Doch wo ist das eigentliche Objekt der Begierde, der Steinpilz?
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Am Parkplatz entsteigt ein junger Mann einem Auto mit Kennzeichen B. Tätowiert bis an die Halskrause ist er, man würde ihn eher im Berghain vermuten als hier am Rand des Kiefernwalds im Schenkenländchen, südlich von Berlin. „Und?“, fragt er. Es braucht nicht mehr als dieses kleine Wort unter Sammlern. Man versteht einander, ist Teil der Horde. „Wenig. Nur erste Vorboten“, antworten wir, ebenfalls um Knappheit bemüht.
Dieser atavistische Rückfall immer im September – wundern muss er einen nicht. Hat der Mensch doch die allermeiste Zeit seiner bisherigen Entwicklungsgeschichte als Jäger und Sammler zugebracht. Es gibt kein besseres Essen als das mit Butter und Zwiebeln zubereitete Pilzpfännchen am Abend, satt und müde von frischer Luft geht man zu Bett, und wenn man dann am nächsten Morgen lebendig aufwacht, freut man sich noch einmal.