Hier müssen Sie am Wochenende hin: Die Kulturtipps der Redaktion

Unser Kulturteam empfiehlt am Wochenende: Theater über den Tod, ein Highlight vom Europäischen Monat der Fotografie, stumme Filme und rachsüchtige Fledermäuse.

Uroš Pajović / BLZ

„Theater des Todes“ im Ballhaus Ost

„bye, bye, bye“ von copy & waste aus der Reihe„Theater des Todes“
„bye, bye, bye“ von copy & waste aus der Reihe„Theater des Todes“Ballhaus Ost

Der Tod gilt als Tabuthema, das ist er aber nicht für das Theater- und Performancekollektiv copy & waste. Das mit dem Tabori-Preis ausgezeichnete Kollektiv zeigt seine zweite Uraufführung in seiner Reihe „Theater des Todes“, nämlich „bye, bye, bye“ im Ballhaus Ost. Die Gruppe wird dort einen Zoom-Altar errichten, Menschen werden von ihrem Tod berichten: vom Erdbeben in Chili, den Exekutionen auf dem Semjonowski-Platz, dem Paradeplatz der Semjonowski-Garde in St. Petersburg, bei der auch Dostojewski hingerichtet werden sollte, dann aber begnadigt wurde. Hannes Schumacher spielt und spricht diesen Dostojewski, er spricht Weil, Hölderlin und Schulze-Erdel, er schlüpft in die Kostüme von in großen Gemälden Dargestellten, spielt Filmszenen nach. So entsteht ein vielstimmiger Monolog für einen Schauspieler, in dem die Abschiedsbriefe Heinrich von Kleists ihren Platz haben, aber auch die lange verschollenen Memoiren der Kaufmannstochter Margarethe Milow, die 1794 nach langer Krankheit an Brustkrebs starb. Die Hamburger Hausfrau ist eine der wenigen Nicht-Adeligen, die zu dieser Zeit ihr Leben dokumentierten, bis aus diesen Aufzeichnungen eine Dokumentation des Sterbens wurde. Margarethe Milow war 46, als sie erkrankte, sie wurde ohne Narkose operiert, wurde zunächst wieder gesund, bekam dann jedoch Metastasen und starb ein Jahr nach der Operation. Der Tod, so wird an diesem Abend deutlich werden, er hat hat viele Facetten. Susanne Lenz

bye, bye, bye  vom 2. bis 4. März im Ballhaus Ost, jeweils um 20 Uhr, Tickets hier


Richard Strauss im Taschenformat: „Die Rache der Fledermaus“

Unsere Rezensentin Irene Bazinger war hingerissen von dieser abgespeckten Version der Johann Strauss'schen „Fledermaus“, jenes 1874 in Wien uraufgeführten Werks, mit dem Walter Felsenstein vor 75 Jahren die Komische Oper eröffnete. Das Gastspiel aus dem Casinotheater Winterthur erzählt die Geschichte aus der Hochzeit der Operettenära ganz ohne Geigen und ohne Schwulst als „Die Rache der Fledermaus“, in einer radikal neuen Fassung mit Bass, Gitarre, Ukulele, Klavier, Akkordeon, Bongos, Singender Säge und schrägen Rhythmen.

An den Instrumenten spielen die Zucchini-Sistas und auf der Bühne stehen unter anderem die Geschwister Pfister, als da wären Tobias Bonn als Rentier Gabriel von Eisenstein und Christoph Marti als dessen Gattin Rosalinde sowie in der tragenden Rolle als Herzbube der Schauspieler Stefan Kurt, der die Pointen in „butterweichem Unterschnitt“ serviere. „Der rauschende Wiener Walzerklang stellt sich bei so einem instrumentalen Taschenformat natürlich nicht ein“, räumt Bazinger ein, aber: „Das Gastspiel des Casinotheaters Winterthur vertraut eidgenössisch dem Boden des wohltemperierten musikalischen Basiskapitals – aber das gekonnt und witzig.“ Butterweicher Unterschnitt – warum fällt mir so was nie ein? Ulrich Seidler

Die Rache der Fledermaus 3. März zum letzten Mal in dieser Spielzeit im Großen Saal der Komischen Oper, Tel.: 47997400 oder www.komische-oper-berlin.de


Brotfabrik: Die Ausgestoßenen der Gesellschaft

Es heißt ja im Buch der Bücher, Gott lasse die Sonne scheinen über Gerechte und Ungerechte, mit anderen Worten: über die im Wohlstand und die im Elend. Weil es dem Allmächtigen da oben  offenbar egal ist, was Menschen aus ihrem Leben machen?  Miron Zownir, Jahrgang 1953, geboren in Karlsruhe als Kind ukrainischer Eltern, ist einer der radikalsten Foto- und Film-Chronisten der Gegenwart, der seit über 40 Jahren die Realität gesellschaftlicher Verwerfungen in schonungslosen Schwarz-Weiß-Bildern aufzeigt. Im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie zeigt die Weißenseer BrotfabrikGalerie  Zownirs Frühwerk. Es sind Schwarz-Weiß-Bilder aus fünf Metropolen in den Jahren 1978 bis 1981: Außenseiter, Obdachlose, Behinderten, Junkies, Gestrandete und Ausgestoßene der modernen westlichen Gesellschaft in London, San Francisco, New York, Chicago und New Orleans.

Alter obdachloser Mann in London, 1978 in Miron Zownirs Ausstellung „Close to the Edge“”  in der BrotfabrikGalerie
Alter obdachloser Mann in London, 1978 in Miron Zownirs Ausstellung „Close to the Edge“” in der BrotfabrikGalerieMiron Zownir

Die Ausstellung konfrontiert uns schonungslos mit Straßenszenen und Momentaufnahmen des menschlichen Daseins zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen Armut und  Anmut, zwischen Verletzlichkeit und theatralischen Gesten. Und immer ist die Empathie des Fotografen für die Porträtierten zu spüren. Längst ist der Anblick dieser Mühseligen und Beladenen auch in den großen Städten des reichen Deutschlands Alltag. Und wir gehen oft erschrocken und ratlos vorbei, wie sie da verwahrlost betteln, in dürftigen Zelten, unter Brücken, in Parks hausen. Die Krisen und Kriege im Mittleren Osten, die Not in Afrika und Asien  treibt Menschen aus ihrer Heimat ins gelobte Land, das schon über eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen hat. Aber der Eindruck täuscht  eben nicht: Es reicht offensichtlich nicht für alle, nicht für diese Menge Hilfsbedürftiger, tief Abgestürzter. Zownir hat keine Lösungsrezepte parat. Er sagt nur: „Sieh hin!“, hält die Kamera in Gesichter, jungem alte, auf resignierte oder hoffende Mienen und Gesten. Er stellt existenzielle Lebensfragen nach Identität, Geschlecht, Liebe, Gewalt, Sexualität und Tod – und zeigt eine Bildwirklichkeit, die verstörend ist, aber auch erschüttert und irgendwann auch zwingt: Das lässt sich ändern, nicht durch göttliche Gewalt, sondern politisch und menschlich, denn das Schlimmste ist wirklich die Gleichgültigkeit. Ingeborg Ruthe

BrotfabrikGalerie, Caligariplatz 1, Weißenseer Spitze, bis 16. April, tgl. 12-20 Uhr


Stummfilmfestival

Einen Vampir in der Kirche sollte man nicht verpassen. Der Berliner Musiker Stephan von Bothmer gehört zu den bekanntesten deutschen Stummfilmpianisten, seit 2006 begleitet er regelmäßig Vorführungen von Klassikern im Kino Babylon. Vom 4. bis 18. März veranstaltet er ein Stummfilmfestival in der Zwölf-Apostel-Kirche in Schöneberg – und führt dort unter anderem  „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ auf, mit Chor, Kirchenorgel und dem Berliner Live-Filmmusic-Orchestra. Das Meisterwerk von Murnau ist am 17. März zu sehen, doch auch am kommenden Auftaktwochenende steht Spannendes auf dem Programm. Am Samstag interpretiert von Bothmer an der Orgel Kunstwerke, die von einer Künstlichen Intelligenz namens „Prinz Rupi“ geschaffen wurden – ein schön kurioser Start für ein Festival, das man eigentlich mit Vergangenem verbindet. Am Sonntag folgt der Spionagethriller „Der Krieg im Dunkel“ von 1928 mit Greta Garbo als russischer Spionin. Natürlich darf auch ein anderer Titel bei einem Stummfilmfestival in der Hauptstadt nicht fehlen: „Berlin: Sinfonie einer Großstadt“ läuft am 11. März. Claudia Reinhard

Stummfilmfestival. 4.-18. März, jeden Samstag um 17 und 20 Uhr, Eintritt ab 28 Euro, Programm und Tickets


Konzert: Father John Misty in der Columbiahalle

Ein amtlicher Pfarrer ist der Father freilich nicht. Nein, er ist der traurige Clown unter den Singer-Songwritern: Father John Misty. Eine Rampensau sondergleichen, ohne auch nur einen Funken Panik vor den ganz großen Pop-Gesten. Er liebt es, sich an seinen Mikrofonständer zu schmiegen, um von Rorschachtests und anderen Tragikomödien des Alltags zu singen.

Und wenn nicht ein Pfarrer, so ist er doch ein Musiker vor dem Herrn. Auch Lady Gaga und Beyoncé haben schon auf seine Songwriter-Künste vertraut. Und auf dem neuen, am 24. März erscheinenden Album von Lana Del Rey (mit dem stattlichen Titel „Did You Know That There's a Tunnel Under Ocean Blvd“) wird Father John Misty ebenfalls mit am Start sein, im Duett „Let The Light In“. Wer sich vorab schon mal live vom Klang-Weihrauch des Fathers umhüllen lassen möchte, hat nun am Wochenende in der Columbiahalle die Gelegenheit. Stefan Hochgesand

Columbiahalle Freitag, 3. März, 20 Uhr, VVK 35 Euro


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