Hier müssen Sie am Wochenende hin: Die Kulturtipps der Redaktion
Unser Kulturteam hat das perfekte kulturelle Wochenende organisiert. Mit dabei: Psychiatrie, Lars Eidinger und Musik aus Karl-Marx-Stadt.

Der Rambazamba-Renner steht wieder auf dem Programm
An diesem Wochenende spielt das Rambazamba-Theater wieder seinen neuen Renner, der sich anschickt, den Erfolg des Originals in den Schatten zu stellen: Gegeben wird, in der Regie von Leander Haußmann, eine Version von Miloš Formans „Einer flog über das Kuckucksnest“, das 1976 mit den Big Five, den Oscars in den fünf wichtigsten Kategorien, ausgezeichnet wurde. Lange vor den Debatten um Identitätspolitik und Cripping-up spielte Jack Nickolson einen Gauner, der ein mentales Leid nur vorschob, um mildere Haftbedingungen zu bekommen.

Da landet man schnell bei der Frage, wer nun eigentlich verrückt ist und welche Verhaltensnormen zu gelten haben. Wer da verlässliche Antworten geben zu können glaubt, sollte sich mal untersuchen lassen. Eine tiefsinnige Komödie mit lauter Spielwütigen ist daraus geworden, bei der Zuschauer als Mitinsassen fungieren. Aber keine Angst vor der Einlieferung: Man darf einfach sitzen und zugucken und auch wieder nach Hause. Ulrich Seidler
Einer flog über das Kuckucksnest 24., 25. März: 19.30 Uhr, 26. März: 18 Uhr; Karten und Informationen unter Tel.: 585836710 oder rambazamba-theater.de
König Galerie: Chinesischer Inselmythos und spanischer Kummerkasten

Zwei Ausstellungen sind in St. Agnes, dem Domizil der König Galerie, zu sehen, die man nicht verpassen sollte. Nummer eins: Für Ihre Gemäldeserie „ON THE WAY TO PENGLAI ISLAND“ hat die in Berlin lebende Chinesin Xiyao Wang eine neue Gruppe großer, abstrakter Tafeln gemalt, die uns auf eine imaginäre Reise zu einem mythischen Ort, der Insel Penglai, mitnehmen. Penglai ist ein seit Jahrhunderten wiederkehrendes Motiv in der chinesischen Literatur und Kunst. Die Erzählung des Inselheiligtums ist der Unsterblichkeit gewidmet, die nach einer langen, beschwerlichen Seereise über ein stürmisches Gewässer erreicht wird. Xiyao verwendet die Idee des Transits und eines ungewissen Ziels als Ausgangspunkt für zehn Bilder, die bei abendländischen Betrachtern auch Assoziationen an Homers Odyssee und an Böcklins Toteninsel wecken.

Und Nummer Zwei: Ach, wenn es nur einfach so leicht gehen würde, alles Sorgen, alle Ängste, alle leidigen Angelegenheiten und Dinge im Alltag in diese prismatische Skulptur zu stecken und den Rest der Kunst zu überlassen. Die Spanierin Alicia Framis mit Adresse Amsterdam hat den schimmernden Kegel in die König Galerie hineingebaut: „LEAVE HERE YOUR FEARS“ fordert sie auf mit diesem verspiegelten Stahlgehäuse, gelandet wie ein Raumschiff mitten in der Kapelle St. Agnes. Und, wir ahnen es schon, die Arbeit ist interaktiv angelegt: Wir Betrachter dürfen - sollen!- also unsere realen und auch nur eingebildeten Ängste, all unsere beunruhigenden Gedanken aufschreiben und die Zettelchen in einer kleinen Öffnung auf der Spiegelfläche der Skulptur deponieren.
Bald darauf entfernt Framis die anonymen Botschaften und überträgt sie wort-bildhaft auf gespannte Leinwandabschnitte, die dann die Wände der Kapelle bedecken und eine Installation schaffen, die im Laufe der Ausstellung Form annimmt. Sozusagen als Ängste- Vertreibungs-Kunstwerk. In archaischen Kulturen heißen solche Gebilde Totems. In japanischen buddhistischen Tempeln etwa stehen am Eingang hohe Vasen mit Löwen-Dekor, in die die Leute ihre Sorgenzettel einwerfen. Und auf dem Jüdischen Friedhof in Prag stecken Zettelröllchen in den Sandsteinritzen und Löcher des Grabmahls von Rabbi Löw, der Schöpfer des „Golem“, jener Sagengestalt, die das von Diaspora und Shoa bedrohte Volk der Juden beschützt. Schon lange wird dieser Ort auch von unglücklich Liebenden genutzt. Ob's jemals geholfen hat?
Framis leistet ihre bildhauerische Psychotherapie mit leidenschaftlicher Verbindung der form-strengen Skulptur und der haptischen Leinwände. Sie schafft eine durchlässige Grenze zwischen Subjektivem, Privatem und der universalen Rolle der Kunst, wobei das Publikum selbst beteiligt ist, Bildhaftes zu schaffen. Eine „soziale Skulptur“, ganz im Beuys'schen Sinne eben. Ingeborg Ruthe
König Galerie Alexandrinenstr. 118-121 (Kreuzberg), Xiyao Wangs Schau bis 16. April und Framis‘ Installation bis 22. April, Di-Sa 11-18 Uhr
„Sein oder nicht Sein“ mit Lars Eidinger
Der Filmemacher Reiner Holzemer ist Spezialist für Menschen. Seit 1983 poträtiert er filmisch Künstlerinnen und Künstler, darunter August Sander, Caroline Link und jüngst die Modedesigner Martin Margiela und Dries Van Noten. Auch Lars Eidinger hat er begleitet, neun Monate lang, zum Beispiel zu den Dreharbeiten von Olivier Assayas‘ genialer Serie „Irma Vep“ und zu den Salzburger Festspielen, wo Eidinger 2021 und 2022 den Jedermann spielte.
„Er hat ein großes Ego, doch gleichzeitig hat man das Gefühl, er steht im Dienst einer größeren Sache“ sagt Juliette Binoche über den Schauspieler, der bei den „Die Wolken von Sils Maria“ (2104) ihr Kollege war. „Ich bin sicher, dass Leute, die mit mir gearbeitet haben, mich als bescheiden beschreiben würden“ erwiderte Eidinger darauf im Interview mit dieser Zeitung. Ob man diesem Schauspieler mit einer Kamera in der Nähe tatsächlich nahekommen kann? Wer es versuchen will und noch Nachfragen hat, kann sich den Film am Samstag im Yorck, im Kant Kino oder Capitol Dahlem anschauen. Lars Eidinger wird bei vier verschiedenen Screenings anwesend sein. Claudia Reinhard
„Sein oder nicht Sein“ ein Anwesenheit von Lars Eidinger. Samstag, 25. März an vier Terminen in verschiedenen Yorck-Kinos
Buchpremiere: Barrie Koskys „Und Vorhang auf, hall0!“
Was hat Barrie Kosky nicht alles durch die Muppet Show gelernt. Und den Titel für sein neues autobiografisches Buch „Und Vorhang auf, hallo!“ (Suhrkamp) hat sie ihm auch noch spendiert. Der ehemalige Intendant der Komischen Oper schreibt: „Man muss nur Kermit zuschauen, um zu verstehen, was es heißt, Regisseur:in oder Intendant:in zu sein.“ Nämlich zum Beispiel, dass man sich mit einer anstrengenden Diva wie Miss Piggy herumschlagen muss. In dem Buch, das Kosky zusammen mit Rainer Simon geschrieben hat, erklärt der Regisseur, wie es kam, dass er als in Australien Geborener, die Welt der Oper entdeckte, wie er es geschafft hat, Wagner in Bayreuth zu inszenieren, und welche Bedeutung Kurt Weill für ihn hat. Am Sonntag ist in der Komischen Oper Buchpremiere, anschließend steht Kosky zum Signieren bereit. Susanne Lenz
Buchpremiere „Und Vorhang auf, hallo“, Komische Oper Berlin, Behrenstraße 55-57, 16.30 Uhr. Tickets sind kostenlos an der Tageskasse erhältlich, Unter den Linden 41, Mo-Sa 11-19 Uhr, Sonn- & Feiertage 13–16 Uhr

Konzert: Trettmann in der Verti Music Hall
Trettmann, Jahrgang 1973, wurde groß im Plattenbau in Karl-Marx-Stadt – aber auch mit afro-amerikanischer Musik aus dem Westradio. Über die FDJ bekam er zudem Spezialklassen in Tanz, Orchester- und Chormusik. Ein Trip nach Jamaika in den Neunzigern machte ihn mit dem Reggae vertraut.
Eine bemerkenswerte Melange in der Sound-Ausbildung. In Kreuzberg hat der inzwischen in Leipzig wohnende Trettmann für sein aktuelles Album „Insomnia“ ein finales Mal mit dem Berliner Produzententeam KitschKrieg kollaboriert. Zu Gast sind etwa Herbert Grönemeyer, unsere Berliner Chartstürmerin Nina Chuba, It-Sängerin Paula Hartmann (die auf dem Haftbefehl-Album kürzlich den „Geruch von Koks“ beschwor und auch AnnenMayKantereit-Sänger Henning May.
„Insomnia“ führt die Schlaflosigkeit schon im Titel und bewegt sich, bis auf wenige Ausnahmen, weiter weg vom früheren Dancehall-Trettmann hin zum schwermütigen Liederschreibertum à la Schmyt. Und beweist mal wieder, dass Karl-Marx-Stadt (lausche auch Kraftklub, Blond) die Wiege wirklich guter deutscher Popmusik ist. Schade, dass Karl das nicht mehr erleben durfte. Oder vielleicht schaut sein Geist ja doch vorbei, beim Trettmann-Konzert in der Verti Music Hall am Freitagabend? Stefan Hochgesand
Verti Music Hall Mercedes-Platz, Freitag, 24. März, 20 Uhr, VVK 59 €
Literatur: Speeddating mit Verlagen

Ende März beginnt der Bücherfrühling, so haben wir das gelernt. Ende März ist Buchmessezeit in Leipzig. Doch nach drei (3!) wegen der Corona-Pandemie ausgefallenen Buchmessen wurde die diesjährige aus Sorge wegen des üblichen Ansteckungswetters zu Frühjahrsbeginn bereits vor langer Zeit auf Ende April festgelegt. Um sich in Erinnerung zu rufen, finden nun nicht nur quer durch Deutschland Veranstaltungen mit Autorinnen und Autoren aus dem Gastland Österreich statt, sondern auch der Indiebookday am 25. März, der Tag der unabhängigen Verlage, wurde von der Messe gekapert. Er wird nämlich in Berlin unter die Überschrift gesetzt: „Your place to read – die Leipziger Buchmesse on Tour“. Das passt, denn die unabhängigen Verlage sind in Leipzig immer stark vertreten. Bei Dussmann gibt es eine Veranstaltung mit zehn von ihnen, ein sogenanntes literarisches Speeddating. Moderiert von der YouTuberin Ilke Sayan @BuchGeschichten, bekommt jeder Verlag ein paar Minuten, um seine aktuellen Schätze aus dem Programm und seinen Verlag vorzustellen. Mit dabei sind zum Beispiel culturbooks, Guggolz und der Wagenbach Verlag. Cornelia Geißler
Indiebookday bei Dussmann 25. 3., 19 Uhr, Friedrichstraße 90, Eintritt 15 Euro
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