Hier müssen Sie am Wochenende hin: Die Kulturtipps der Redaktion
Diese Woche können Sie in einem queeren Club das Pfingstfest zelebrieren, Filme mit Irland-Bezug genießen oder einem fiktiven Konzert Leonard Cohens in Ramallah lauschen.

Das Gorki feiert zehn Jahre Gezi-Proteste
Mit einem einmonatigen Festivalprogramm begeht das Gorki-Theater das zehnjährige Jubiläum der Gezi-Proteste in Istanbul. Jubiläum? Darf man das feiern, dass damals die Staatsmacht dermaßen aggressiv zugeschlagen hat, dass es Tote gab? Nein, aber beschworen und bejubelt werden soll ein freier Geist der Solidarität, der sich damals einstellte und Zusammenhalt im Widerstand schuf. Mit mehr als 60 Veranstaltungen, die neben dem regulären Gorki-Repertoire von einer Kuratorenschar organisiert werden, soll die Stimmung von einst wieder aufleben. Es gibt Lesungen, Performances, Gespräche, Filme, Konzerte, Partys und Brunches.

An diesem Wochenende beginnt es mit Interventionen im öffentlichen Raum unter anderem des Künstlers und Performers Omer Krieger aus Tel Aviv. Dazu kommt eine Uraufführung im Gorki-Studio, inszeniert von Hakan Savaş Mican mit Taner Şahintürk und Emre Aksızoğlu. In „Alles wird schön sein“ nimmt ein werdender Vater und sterbender Mann ein Tonband für seine noch ungeborene Tochter auf. Auch hier geht es also darum, etwas weiterzugeben. Ulrich Seidler
Gezi – Ten Years After. Das Festival beginnt am 26. Mai und geht bis zum 25. Juni. Programm und Informationen unter www.gorki.de
Die Mandoline und der Kampf der Arbeiter
Vivaldi, Händel und Beethoven haben Stücke für die Mandoline komponiert, doch nicht deren Melodiefolgen werden am Freitag erklingen, wenn in der Galerie des August-Bebel-Instituts ein Abend diesem Instrument gewidmet ist. Es geht um den „Sound der Arbeiterbewegung“: Dieses Instrument hat in der europäischen Volksmusik eine interessante Begleit- und Solorolle gespielt. Der Musikwissenschaftler und Soziologe Simon Nußbruch, ausgebildet als Bratschist, promovierte über „Musik der Bündischen Jugend nach 1945“ und wird an dem Abend über seine Erkenntnisse sprechen. Tobias Thiele (Mandoline und Gesang), Stepan Gantralyan (Gesang) und Emil Georgiev (Tambur) übernehmen die Hörbeispiele für seinen Vortrag.

Bestimmt wird dann auch davon erzählt, wie der junge Herbert Frahm in seiner Heimatstadt Lübeck in den 1920er-Jahren auf den örtlichen Arbeiter-Mandolinenklub stieß. Aus dem kämpferischen Musiker wurde im Exil Willy Brandt und später ein großer Politiker. Anekdoten helfen eben, Geschichte lebendig zu machen. Die Mandoline wurde von den Landesmusikräten fast aller deutschen Bundesländer zum Instrument des Jahres 2023 gekürt. Cornelia Geißler
Der Sound der Arbeiterbewegung. Freitag, 26.5., 19 Uhr, Galerie des August-Bebel-Instituts, Müllerstraße 163. Eintritt frei. Wegen der begrenzten Platzzahl wird um Anmeldung gebeten: https://august-bebel-institut.de
„Irish on Screen“ im Kino Babylon
40 Filme mit Irland-Bezug zeigt das Kino Babylon noch bis zum kommenden Sonntag. Das geht natürlich nicht ohne Brendan Gleeson, Colin Farrell und Kenneth Branagh, doch es gibt auch zahlreiche Highlights ohne Beteiligung der international prominenten Herren zu sehen. „Die Untiefen Irlands sind gigantisch im Verhältnis zum Wasserstand der Spree. Große Kunst braucht eine Fallhöhe, von der wir in Berlin zum Glück! weit entfernt leben“, schreiben die Verantwortlichen vom Kino Babylon. Letzteres ließe sich debattieren, aber wie auch immer: Das mit der großen Kunst stimmt. Im Programm beweist das zum Beispiel „Der Schlächterbursche“, in dem Neil Jordan 1997 mit einem Humor, der schwärzer nicht sein könnte, die Geschichte eines Zwölfjährigen erzählt, der in seiner Alltagshölle durch die Flucht in Fantasie und Filme zu überleben versucht. Mist, hier spielt Gleeson ja doch mit! Brendan heißt auch der Protagonist des Animations-Meisterwerks „Das Geheimnis von Kells“. Und seinen Onkel spricht – Überraschung! – Brendan Gleeson. Das soll nun aber nicht davon ablenken, dass man diesen Film im visuellen Stil der frühirischen Bilderhandschrift „Book of Kells“ unbedingt gesehen haben muss. Claudia Reinhard
Irish on Screen. Bis 29. Mai im Kino Babylon. „Das Geheimnis von Kells“ läuft am Samstag um 17 Uhr.
Party: Das SchwuZ feiert Lady Gaga
Es soll Menschen geben, die nicht wissen, was die katholische Kirche an Pfingsten eigentlich feiert. Irgendwas mit Heiliger Geist, aber was macht der doch gleich, neben Gottvater und Gottsohn? Es ist kompliziert. Sehr viel leichtfüßiger geht’s derweil am Pfingstsonntag im SchwuZ auf dem Neuköllner Rollberg zu. Höhere theologische Weihen sind nicht nötig. Oder vielleicht doch?
Das SchwuZ zelebriert in seiner Tanzboden-Kathedrale bei seiner „Mother Monster“-Party die (neben Lady Macbeth) wohl berühmteste Lady der Welt: Lady Gaga – die neben ihrer Rolle als Regenbogen-Queer-Ikone durchaus Wert auf ihre italienisch-katholischen Wurzeln legt.
Wenngleich sie die nicht gerade päpstlich-dogmatisch ausdeutet: „I’m beautiful in my way ’cause God makes no mistakes / I’m on the right track, baby, I was born this way.“ Dieses selbstbewusst-erbauliche Motto aus ihrem Song „Born This Way“ bezieht die Lady allerdings nicht bloß auf sich, sondern auch auf Menschen von vielerlei Identitäten: „No matter gay, straight, or bi’, lesbian, transgender life.“ Wenn das der Papst wüsste! Stefan Hochgesand
SchwuZ, Rollbergstraße 26, Sonntag, 28. Mai, 23 Uhr, 19 Euro
Leonard Cohen in Tel Aviv und Ramallah
Leonard Cohen in Palästina? Klingt angesichts aktueller Eskalationsspirale in der Region und messerscharfer Debatten darüber vielleicht weit hergeholt – basiert jedoch auf einer echten Idee. 2009, wenige Jahre vor dem Tod des Singer-Songwriters 2016, sollte Cohen zwei Konzerte spielen: eins in Tel Aviv, eins in Ramallah. Der Plan, in Ramallah zu spielen, wurde von einigen allerdings als leere Ersatzgeste betrachtet, um Protesten gegen das Israel-Konzert vorzubeugen. Das Konzert wurde boykottiert und letztlich abgesagt.

Als glühender Cohen-Fan, der zugleich eine Kultur-Boykott-Kampagne unterstützt, die zur Israel-Boykott-Kampagne BDS gehört, nahm der amerikanische Künstler Michael Rakowitz das Thema zum Anlass, sich mit Cohens Haltung zu den diversen Konfliktlagen in der Region auseinanderzusetzen. BDS ist umstritten, in den Augen vieler gar antisemitisch. Rakowitz selbst ist Nachkomme arabischer Juden. Der Künstler beschloss dann kurzerhand, das Konzert in Ramallah einfach selbst zu inszenieren. Er kaufte Cohens alte Olivetti-Schreibmaschine und schrieb ein Drehbuch über ein Konzert, das nie stattgefunden hatte. Schließlich bat er Cohen sogar um Erlaubnis, dessen Lieder in Ramallah aufzuführen, erhielt jedoch nie Rückantwort. In Film tritt der Künstler selbst in die Rolle des Musikers. Die Ausstellung „I’m good at love, I’m good at hate, it’s in between I freeze“ zeigt das, neben ausgewählten Dokumenten der Recherche und Vorbereitung. Hanno Hauenstein
Michael Rakowitz: „I’m good at love, I’m good at hate, it’s in between I freeze“. Barbara Wien, Schöneberger Ufer 65, bis 29. Juli.
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