Humboldt-Forum: Hartmut Dorgerloh muss ein verfahrenes Projekt auf Kurs bringen
Noch ist nichts sicher. Vielleicht ist der Vorschlag von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), den Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Hartmut Dorgerloh zum ersten Intendanten des Berliner Humboldt-Forums zu berufen, sogar schädlich für dessen Kandidatur, über die Ende April der 15-köpfige Stiftungsrat des Humboldt-Forums entscheiden wird, in dem Vertreter der Bundesregierung, des Bundestags, des Landes Berlin, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz etc. pp. sitzen.
Der Stiftungsrat wird auch damit umgehen müssen, dass Hartmut Dorgerloh derzeit unkündbarer Beamter ist, die Intendantenstelle aber befristet ausgeschrieben wurde. Und schon wieder würde, nach der am Montag bekanntgegebenen Berufung von Lars-Christian Koch zum neuen Direktor des Ethnologischen Museums, ein Deutscher und ein Mann einen Leitungsposten im multikulturellen Humboldt-Forum einnehmen. Andererseits ist Grütters nicht fürs Vorpreschen ohne Rückendeckung bekannt, außerdem ist sie mit ihrem Etat in dem Gremium macht- und finanzpolitisch das Schwergewicht der Runde. Die drei Gründungsintendanten des Humboldt-Forums scheinen ebenfalls hinter ihrem Vorschlag zu stehen.
Smart, ehrgeizig, kollegial
Das jedenfalls teilte Neil MacGregor gestern anlässlich der Ausstellungseröffnung zu den Berliner Lautarchiven in der Humboldt-Box mit. Dorgerloh sei nicht nur ein „respektierter Wissenschaftler“, sondern auch einer, der den Blick auf die Besucher gerichtet halte. Er habe 15 Jahre lang eine Institution von „deutscher Komplexität“ geleitet und viel Erfahrung im Umgang mit den Untiefen der Berliner und der deutschen föderalen Kulturpolitik gesammelt.
Tatsächlich ist der 55-jährige Berliner ehrgeizig, smart im öffentlichen Auftritt und erfolgreich als Manager. Und er „kann“ Föderalismus. So hat er in eisenharten Verhandlungen mit dem Bund und Berlin den Sanierungsetat kürzlich mit dem zweiten Zehn-Jahresprogramm auf weit über 600 Millionen Euro insgesamt erheblich erhöhen können. Dorgerloh gilt als kollegialer Chef, hat neues Personal berufen, die Forschungen zur Geschichte der Häuser und der Sammlungen vorangetrieben, frischen Wind in die Verwaltung geblasen und die um das Jahr 2000 in reichlich Preußenkult versunkene Mitarbeiterschaft neu motiviert. Vor allem aber hat er das Marketing und die Ausstellungspolitik neu orientiert und den Frauen an den preußischen Höfen endlich die ihnen zukommende Aufmerksamkeit geschenkt.
All das wird ihm nutzen, um das verfahrene Projekt wieder auf einen Kurs zu kriegen. Das Humboldt-Forum versinkt zunehmend in Machtstreitereien, die immer auch Auseinandersetzungen um das künftige Konzept sind. Nur deswegen wird überhaupt seit Jahren verlangt, einen General-Intendanten zu berufen, den es bei einer ausreichend kollegialen Haltung der Akteure eigentlich nicht bräuchte. Aber die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sieht sich in Konkurrenz zur Kultur-GmbH unter Leitung von Lavinia Frey, die Stadt Berlin hat bereits mitgeteilt, dass der Direktor des Stadtmuseums, Paul Spies, keinesfalls dem Intendanten unterstellt, sondern nur mit ihm auf Augenhöhe zusammen arbeiten werde.
Gleich vier Bundesministerien ringen um Einfluss, dazu diverse Bundestagsabgeordnete. Die Gründungsintendanten haben zudem viele Museumsmitarbeiter durch Eingriffe in das geplante Ausstellungskonzept tief demotiviert. Bisher hat man sich in der Preußen-Stiftung der Debatte um die Zukunft ethnologischer Sammlungen weitgehend entzogen. Seit dem Vorstoß des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, ganze Museen nach Afrika zurückzugeben, wird das kaum mehr möglich sein. Und die Schlossstiftung will den Bau nur noch im Zeit- und Kostenrahmen fertig bekommen und war deswegen bereit, in den Ausstellungsräumen eine technische Ausstattung auf dem Stand der 90er-Jahre zu installieren.
Hauptthema: Konkurrenzen
Wie tief solche Konkurrenzen das Humboldt-Forum und sein Schicksal beeinflussen, wurde sogar bei der Bekanntgabe der Nominierung von Dorgerloh deutlich: Monika Grütters veröffentlichte ihren Vorschlag nämlich ausgerechnet am Vorabend des ersten Auftritts von Lars-Christian Koch. Gestern stellte er der Presse seine Ausstellung zu den bedeutenden Berliner Klangsammlungen vor. Koch blieb dabei ganz der nüchterne Wissenschaftler, vermied geradezu ostentativ jeden äußeren Glanz. Aber genau den wird er entwickeln müssen, um auch nach außen hin gegenüber dem umtriebigen Dorgerloh und dem Chef der Preußen-Stiftung, Hermann Parzinger, die Interessen der Museen angemessen vertreten zu können.
Dorgerloh hat bisher nur Verwaltungen geführt, die in ihren Inhalten auf ein gemeinsames Ziel zu verpflichten waren. Hier muss er höchst divergierende Interessen zusammenbringen und etwa fundamentalistisch gegen das Humboldt-Forum agitierende Anti-Koloniale oder die bisher weitgehend ignorierten migrantischen Berliner Kiez-Initiativen erreichen. Dorgerloh ist kein Ethnologe und kein Fachmann für die Künste und Kulturen Asiens, Afrikas, Nord- und Südamerikas, des Pazifik und Australiens. Seine Interessen blieben auf Preußen und seine Geschichte orientiert. Wird die Fraktion der Schlossweiterbaufreunde im Humboldt-Forum mit ihm verstärkt? Seine Verankerung in der Denkmalpflege steht dagegen.
Die größte Herausforderung aber dürfte in der Erwartungshaltung liegen, die Hartmut Dorgerloh entgegenschlägt. Wie zuvor Neil MacGregor wird jetzt er als der Retter des Humboldt-Forums idealisiert. Diese Heilserwartungen muss er brechen, ohne an Einfluss zu verlieren. Was für ein Spagat.