In Warschau steht ein Museum, in dem Tanzen erwünscht ist

Unsere Autorin ist für zwei Monate in Warschau. Ein Museum, das sie begeistert hat, ist das der Geschichte der polnischen Juden. Pflichtprogramm für Deutsche in der Stadt, meint sie. 

Das POLIN - Museum für die Geschichte der polnischen Juden, entworfen von Rainer Mahlam.
Das POLIN - Museum für die Geschichte der polnischen Juden, entworfen von Rainer Mahlam.Borkowski Piotr/imago

Kennen Sie Boleslaw den Frommen? Ich kannte ihn bislang nicht. Dabei ist Boleslaw der Fromme der erste Entscheidungsträger, der Juden in der polnischen Stadt Kalisz offiziell Rechte einräumte. Ziemliches Hobbyhistorikerwissen, könnte man meinen. Gelernt habe ich dies allerdings in einem der besten Museen, die ich je besucht habe, dem Polin in Warschau.

Das Museum der Geschichte der polnischen Juden wurde am 19. April 2013 eröffnet. Der 19. April ist auch der Jahrestag des Aufstands der Juden im Warschauer Getto, auf dessen Gelände sich heute das Polin befindet. An diesem historischen Ort erwartet die Besucher heute eine gigantische Multimedia-Ausstellung auf mehreren Etagen.

Ein mehr als fairer Preis

In der Eingangshalle laufen blassgelb geschwungene Wände aufeinander zu. Die Farbe soll an die Wüste Israels erinnern, verrät der Audioguide, der auch Deutsch spricht. Der Eintritt ist für polnische Verhältnisse recht teuer: 45 Zloty (umgerechnet etwa: 9,42 Euro). Aber für das, was man bekommt, ist es ein mehr als fairer Preis.

Die Wände im Inneren des POLIN Museums.
Die Wände im Inneren des POLIN Museums.Radek Pietruszka

Die Dauerausstellung ist chronologisch angeordnet. Der Besucher beginnt bei Ibrahim ibn Jakub, einem Gesandten aus dem muslimisch geprägten Cordoba des 10. Jahrhunderts. Er hatte wohl mutmaßlich einen jüdischen Hintergrund und war der erste Mensch, der verlässlich einen polnischen Staat beschrieben hat. Dann geht es auch schon bald weiter zu Boleslaw dem Frommen, jenem Herzog von Großpolen anno 1264. 

Ein bunt bemaltes Heiligtum

Die Beziehung zwischen Polen und Juden war eine wechselhafte: Zum einen war die jüdische Gemeinschaft in Polen weitgehend akzeptiert, auf der anderen Seite wuchs auch hier der Antisemitismus. In einem Bereich über polnische Musik werden die Besucher sogar zum Tanzen aufgefordert. Auf dem Boden sind Schrittfolgen markiert, um auch den ungeübten Tänzer zum Tango zu animieren. Nur wenige Meter dahinter wird vom Grauen des Ersten und Zweiten Weltkriegs erzählt, vom Holocaust und dem Warschauer Getto. 

Das imposanteste Objekt im Museum ist wohl der Nachbau eines Innenraums einer Synagoge aus der Zeit des polnisch-litauischen Commonwealth im heutigen Hvizdets in der Ukraine. Ein mit Pflanzen, Tieren und Texten bunt bemaltes Heiligtum.

Aus der permanenten Ausstellung im POLIN Museum, Warschau.
Aus der permanenten Ausstellung im POLIN Museum, Warschau.Eastnews/imago

Alle Sinne werden gereizt in diesem Museum: durch Filme, Originalobjekte und Lebensgeschichten. So wusste ich zum Beispiel bislang nichts von Pua Rakovsky, einer polnisch-jüdischen Feministin um die Jahrhundertwende. Sie tat zeitlebens alles für die Bildung junger Mädchen und Frauen, und sie musste sich selbst Bildung hart erkämpfen. 

Boleslaw der Fromme sicherte in dem von ihm erlassenen Statut von Kalisz den in Polen lebenden Juden Schutz zu. Auch wenn es während des jahrhundertelang geltenden Statuts immer wieder zu Ritualmordpogromen kam, sorgte es dennoch für eine erhebliche Zunahme der jüdischen Bevölkerung in Polen. Und das Museum der Geschichte der polnischen Juden zeigt die daraus resultierenden kulturellen Errungenschaften in eindrucksvollem Maße. Es ist ein Pflichtbesuch für alle Deutschen, die in Warschau sind.