Iranien und La marche à suivre: Berlinale Forum: Vom Miteinandersprechen

Es gibt keine Feinde, bloß Leute, die anderer Meinung sind. Aus dem Austausch von Argumenten entsteht gegenseitiges Verständnis. Idealerweise steht am Ende eine für alle tragbare Lösung.

Soweit die Theorie. Der in Frankreich lebende, aus dem Iran stammende Filmemacher Mehran Tamadon macht mit „Iranien“ die Probe aufs Exempel. Er lädt vier Mullahs – islamische Rechts- und Religionsgelehrte – in das Landhaus seiner Familie ein, um mit ihnen über die Möglichkeiten einer säkularen, pluralen iranischen Gesellschaft zu diskutieren. Zwei Jahre hat es gedauert, Männer zu finden, die vor der Kamera mit einem ungläubigen Regimegegner über ein derart heikles Thema reden wollten. Die, die kamen, wissen, was auf dem Spiel steht.

Visuell ist „Iranien“ unaufregend. Die Kamera sieht den Männern beim Diskutieren, Kochen und Beten zu. Spannender ist es, ihnen zuzuhören. Die Mullahs sind rhetorisch geschulter als der filmemachende Demokrat. Die Debatte wird auf hohem Niveau ausgetragen, und die Feinheit ihrer theologischen und philosophischen Argumente fasziniert – auch wenn man die Gründe für die Verschleierung der Frau nicht mehr hören kann.

Am Ende erinnert der melancholische Gesang einer Frau an ihre erzwungene Abwesenheit, während der Filmemacher das Zimmer aufräumt. Wenig später wird Tamadon mitgeteilt, dass ihm bei einer Einreise in den Iran der Pass entzogen werden wird. „Iranien“ ist auch ein trauriger Film.

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Zuhören, abwarten, Geduld üben, nicht gleich losschreien, gewalttätig werden. Auf eine entspannende Weise handelt auch Jean-François Caissys kunstvoll strukturierter Dokumentarfilm „La marche à suivre“ davon. Er zeigt eine Oberschule in der kanadischen Provinz. Gespräche, die Vertrauenslehrer mit auffällig gewordenen Schülern führen. Den konkreten Kontext erfährt man nicht, den erweiterten bekommt man zu sehen: Ausblicke in die Landschaft (langweilig) und Einblicke in Freizeitbeschäftigungen (öde) und Schulalltag (das Übliche). Nichts passiert, also macht man Ärger. Oder nimmt Drogen.

Das sozialpädagogisch geschulte Personal versucht zu helfen. Wie das geschieht ist beeindruckend: kein erhobener Zeigefinger, kein Drohen. Stattdessen positives Feedback und Bestätigung. Was man hier sieht, ist ein wichtiger Teil einer aussterbenden Struktur: die moralische Schulung des Nachwuchses einer Gesellschaft, die an jedes ihrer Mitglieder glaubt.

Iranien: 13.2.: 18.45 Uhr, Delphi; 15.2.: 11 Uhr, CineStar 8.

La marche à suivre: 12.2.: 11 Uhr, CineStar 8; 14.2.: 20 Uhr, Kino Arsenal 1; 15.2.: 19 Uhr, Delphi.