"Is the Man who is Tall Happy?" auf der Berlinale: Noam Chomsky als Porträt in Wellenlinien

Michel Gondry will fertig werden. Nicht mit dem eigenen Lebenswerk, der Regisseur ist noch jung, aber mit Noam Chomsky. Der kanadische Sprachphilosoph ist 84, da muss man sich sputen. Gondry sagt das ganz unverblümt, und quetscht seinen Interviewpartner ordentlich aus. Der Witz des Films ist, dass er die aus dem Chomskykopf quellenden Gedanken nachvollzieht, in dem er sie zeichnet.

Es ist ein Animationsfilm mit Philosoph, ein Essay als Comic. Redet Chomsky von seiner New Yorker Jugend, kritzelt er Figuren auf uralte Fotos. Die Theorien zu Spracherwerb und Urgrammatik, Chomskys umstrittenes Lebenswerk, werden zu kleinen Maschinen, Mechanismen, Wellenlinien, Strahlen. Manches versteht er nicht, anderes bestreitet er. Beharrt sein Gesprächspartner etwa darauf, die Natur sei einfach, und nur wer sie nicht verstehe, mache sie kompliziert, zeichnet Gondry den Streit.

Das ist durchweg lehrreich und unterhaltsam, auch weil künstlerische und philosophische Aspekte gelegentlich zusammenfallen. Sich selbst zum Beispiel zeichnet der Franzose in den verschiedensten Formen. Woher wissen wir, dass er es ist? Chomsky hingegen zeichnet er immer gleich.

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Liefern Brille und Wuschelfrisur die berühmte Minimalstruktur, oder warum hat er von ihm das festere Bild? Er hat jedenfalls einen schönen und variantenreichen Strich. So viel wie über den Linguisten Chomsky, dessen Positionen ja ungefähr bekannt sind, verrät der Film über den populären Bastelregisseur („Der Schaum der Tage“) und Künstler Gondry, dem man hier erstmals bei der Arbeit zusehen kann.

Der Titel von „Is the Man Who is Tall Happy?“ bezieht sich auf einen klassischen linguistischen Beispielsatz. Der große Mann im Film wirkt eher nicht glücklich. Er würde das nicht als seine Aufgabe sehen. Doch während das Politische, der Dauerbrenner der meisten seiner Interviews, hier außen vor bleibt, bekommt das Private einigen Platz.

Chomsky spricht von antisemitischen Anfeindungen in der Kindheit, seinen Umgang mit dem Holocaust. Die Erinnerung an seine verstorbene Ehefrau zeichnet Gondry, ohne dass der Trauernde etwas dazu sagt. Ob er hier eine Grenze überschreitet oder sensibel verbildlicht, was Worte nicht mehr sagen können – das gehört zu den spannenden Fragen des Films.

Is the Man who is Tall Happy?

11.2.: 14 Uhr, International

16.2.: 15.30, Colosseum 1