Italien: Nach Protesten lädt das Sanremo-Festival Selenskyj wieder aus
Eigentlich hatte der ukrainische Präsident bei dem Musik-Festival auftreten sollen, nach heftigen Reaktionen passiert das nun wohl doch nicht.

Bald ist es so weit. Am 7. Februar startet das Festival della Canzone Italiana, das weltberühmte Festival in Sanremo. Seit 73 Jahren steigen dort italienische Künstlerinnen und Künstler auf die Bühne des Ariston-Theaters. Jedes Jahr schalten Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer ein, wenn das Festival in der Region Ligurien vom Staatssender RAI 1 übertragen wird.
Ein angeblich geplanter Videoauftritt des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sorgt nun für Aufregung: Die Sanremo-Bühne würde für Propagandazwecke missbraucht, sagen Kritikerinnen und Kritiker. Selenskyjs Auftritt sollte am letzten Abend des Festivals erfolgen, am kommenden Samstag, an dem der Gewinner des Songcontests bekannt gegeben wird. Nach langem Hin und Her haben die Organisatoren nun aber mitgeteilt: Es werde nur ein Brief auf der Bühne vorgelesen, den Selenskyj verfasst habe.
Wenngleich die erste italienische Regierungspartei Fratelli d’Italia der Ukraine militärische Hilfen versprochen hat, gibt es im Palazzo Chigi, dem Regierungssitz Italiens, Bedenken gegenüber einer Einbindung Selenskyj in die Musikveranstaltung. Zum einen werden sie von Silvio Berlusconi, eines Koalitionskollegen der Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, geäußert. Zum anderen teilt auch der Chef der 5-Sterne-Partei, Giuseppe Conte, die Kritik. Zudem spottete nun der italienische Vizepräsident und Chef der Lega, Matteo Salvini: „Selenskyj? Ich weiß nicht, wie er singt und habe andere Vorlieben.“
Was für ein Problem haben die Italiener mit Selenskyi?
Begonnnen hatte alles Mitte Januar, als Selenskyj vom italienischen Journalisten Bruno Vespa interviewt wurde. Vespa deutete mit einer Frage an, dass der Präsident einige Wochen später am Musikfestival teilnehmen könnte; eine Information, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht öffentlich bekannt geworden war. Und die genügte, um in Italien eine breite Debatte anzustoßen.
Die Italienerinnen und Italiener seien von Selenskyjs internationalen Auftritten genervt, heißt es vielerorts. Zum einen, weil sich der italienische Staat, der auch durch den Krieg und die damit verbundenen gestiegenen Gaspreise, in eine wirtschaftliche Schieflage geraten ist, weiterhin dazu verpflichtet, ohne zeitliche Begrenzungen Waffen an die Ukraine zu liefern. Und zum anderen, weil in Selenskyjs Ansprachen nie die Rede vom Frieden sei.
80.000 Menschen unterschreiben Petition, um Selenskyjs Auftritt zu stoppen
Ende Januar 2023 startete dann der italienische unabhängige Fernsehsender Byoblu eine Petition, um eine „Militarisierung des Sanremo-Festivals“ zu verhindern. Rund 80.000 Italienerinnen und Italiener haben den Antrag binnen weniger Tage unterschrieben. Im Text zur Petition heißt es: „Wir wollen, dass Artikel 11 unserer Verfassung respektiert wird. Dieser lehnt den Krieg als Methode zur Lösung internationaler Konflikte ab.“
Seit dem Start der militärischen Invasion Russlands in der Ukraine wurden Selenskyjs Auftritte weltweit meist bejubelt und gelobt. Der frühere Comedian hatte seine Botschaften unter anderem bei den Film-Festivals von Cannes und Venedig teilen können, ist sogar bei den Golden Globes in Los Angeles per Video aufgetreten: Seit Monaten bittet Selenskyj darum, dass die Ukraine militärische Hilfe erhalte und die westlichen Staaten zu wenig dazu beitrügen.
Einen medialen Höhepunkt erreichten Selenskyjs Darstellungen mittels einer Fotoreportage, die Ende Juli 2022 in verschiedenen Ländern der Vogue veröffentlicht wurde. Fotografin Annie Leibovitz hatte Fotos von Selenskyj und seiner Frau Olena Selenska gemacht, mitten im Kriegsgebiet von Kiew. Damals gab es zum ersten Mal negative Reaktionen auf die Weise, wie Selenskyj die Medien nutzt. Er und seine Frau würden den Krieg medial ausnutzen, hieß es damals.