Judy Winter als Hildegard Knef: Ihre Seele verkauft sie nicht
Was ist das für eine seltsame Aufführung, in der es eigentlich um Hildegard Knef gehen soll und man trotzdem dauernd an Marlene Dietrich denkt? Vielleicht, weil Volker Kühn im Publikum saß, der 1998 die tolle deutsche Bearbeitung von Pam Gems’ „Marlene“ im Renaissance Theater geschaffen hatte? Oder weil Judy Winter, die damals so grandios die Marlene verkörpert hatte, jetzt auf der Bühne des Theaters am Kurfürstendamm stand? Oder weil man sich wünschte, „Hilde Knef – Der Teufel und die Diva“ von Fred Breinersdorfer und Katja Röder würde wenigstens ansatzweise etwas von der Aura und Bedeutung vermitteln können, die „Marlene“ hatte? Dazu kommt es in den zwei Stunden des reichlich tristen Abends, für den die Regie von Wolfgang Stockmann unerheblich blieb, freilich nie.
Das Stück ist dermaßen verbockt, dass es selbst Judy Winter nicht retten kann. Sie spielt, was eben möglich ist, und singt sich, begleitet von drei Musikern, gut und geschickt durch einige der bekannten Hits. Am Anfang liegt sie auf einem großen „R“, denn das Bühnenbild von Peter Schmidt besteht aus riesigen hellen Buchstaben, die über die Bühne verteilt den Namen Hildegard Knef ergeben.
Die erwacht hier zwischen Himmel und Hölle, nachdem sie gerade gestorben ist. Deswegen haben ihr die Autoren einen Herrn im Smoking gegenüber gestellt, der auf den schönen Namen Mephisto hört und seinen Goethe sehr wohl gelesen hat. Das Ergebnis der bemühten Kombination von „Faust“ und Knef deprimiert allerdings mit gravierender Irrelevanz.
Brav wird die Biographie der Schauspielerin und Sängerin nacherzählt, ein winziger Ausschnitt aus dem Skandalfilm „Die Sünderin“ eingeblendet, ein bisschen Medienecho zitiert. Mephisto duzt Hilde, sie siezt ihn, er will die Wahrheit über sie wissen, sie sagt, „lesen Sie meine Bücher“, er antwortet, nein, die stimmen gar nicht, sie darauf: Doch! So geht das hin und her – Kriegsende, Hollywood, Broadway, „Der geschenkte Gaul“, Männer, die Tochter, Geldsorgen, Alter, Krankheiten, Tod. Alles ist oberflächlich und ohne jedes Charisma. Vom Zauber der Diva, die den Deutschen nach 1945 das Gefühl gegeben hatte, auch eine von ihnen könnte in Amerika zum Star werden, ist nichts zu spüren.
Schließlich will Mephisto Hildchen in die Hölle locken und ihre Seele haben, während sie ihm diese unter keinen Umständen verkaufen will, obwohl Stephan Benson sich alle Mühe gibt, als charmant − verführerischer Teufel zu erscheinen. Am Schluss legt sich Judy Winter erneut auf das große „R“, trägt „Für mich soll’s rote Rosen regen“ vor und dann hat Hildegard Knef wieder das, was man ihr nach diesem mauen Abend vor allem wünscht: Nicht Ruhm, sondern Ruhe.
Hilde Knef – Der Teufel und die Diva bis 9.6., 21.-28.6., 16.7.-16.8., Theater am Kurfürstendamm, Tel. 88 59 11 88