Bov Bjerg, wie bringen Sie das Jahr ohne Publikum zu Ende?

Der Kabarettistische Jahresrückblick findet im Netz statt. Wir fragen den Schriftsteller Bov Bjerg, der von Anfang an zum Ensemble gehört, wie sich das anfühlt. 

Der Schriftsteller Bov Bjerg, hier auf einem Bild aus besseren Tagen, da noch Auftritte vor Publikum möglich waren. 
Der Schriftsteller Bov Bjerg, hier auf einem Bild aus besseren Tagen, da noch Auftritte vor Publikum möglich waren.
imago images/Horst Galuschka

Berlin-Der Kabarettistische Jahresrückblick, ein (Lese-)Bühnenprogramm, das seit 1997 immer beliebter geworden ist und immer mehr Aufführungen im Mehringhoftheater und in den Kudamm-Bühnen im Schiller-Theater brauchte, kann nun erstmals nicht live stattfinden. Aber ab Montag, dem 21.12. ist er als Video-Aufzeichnung im Netz zu sehen. Unsere Frage der Woche geht an den Schriftsteller Bov Bjerg, der nicht nur mit „Serpentinen“ einen der Romane des Jahres geschrieben hat, sondern zum Rückblicks-Ensemble gehört: 

Können Sie ohne Publikum 2020 überhaupt richtig beenden?

Bov Bjerg: Leider habe ich die ganzen letzten Monate fast ohne Publikum verbringen müssen, weil so gut wie alle Lesungen ausgefallen sind. Ich fand Lesereisen oft anstrengend und ich dachte lange, ich könne auch ganz gut ohne auskommen. Doch bei den wenigen Lesungen, die es dann doch gab, habe ich gemerkt, dass das überhaupt nicht stimmt.

Dass jetzt auch unser Jahresrückblick nicht live stattfinden kann, passt nur zu gut zum Ende dieses unseligen Jahres. Und wie alle Kolleginnen und Kollegen können wir unserem Publikum nur aus der Ferne zuwinken: „Hallo, hier sind wir! Guckt mal, hie-hier! Ganz klein, auf eurem Monitor! Vergesst uns nicht!“

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Da wir immer so viel gespielt haben, oft zweimal am Tag, war der Kabarettistische Jahresrückblick für mich auch immer eine gute Möglichkeit, unter den schlimmsten Wochen des Jahres durchzutauchen. Ich finde die ganze Adventszeit sehr unerquicklich, die Läden, den Glühwein, die Gemütlichkeit, all die sogenannte Vorfreude. Und Silvester macht mich jedes Jahr fertig: Schon wieder ein Jahr näher am Lebensende! Warum zum Teufel sollte man das feiern? Und was Weihnachten selbst angeht, ach, wenn ich mich zu Weihnachten hier offen äußern würde, würde ich bestimmt die Gefühle vieler unschuldiger Menschen schrecklich verletzen, und das möchte ich nun wirklich nicht, schon gar nicht Weihnachten. Im tiefen Bergwerk des Theaters jedenfalls, abgeschieden von der Außenwelt, also im Backstage und auf der Bühne, ließen sich diese Wochen einigermaßen aushalten.

Dieses Jahr fallen aber alle Vorstellungen aus. Ich hätte zum ersten Mal seit vielen Jahren Gelegenheit, all die heimeligen Geselligkeiten zu besuchen, die Kita-Weihnachtsfeiern, die Schulweihnachtsmärkte, die Beisammenkünfte der über den Daumen zwei- bis dreihundert Vereine, in denen meine Kinder, meine Frau, ich selbst oder der Hund Mitglied sind. Aber leider, leider, leider fallen alle diese schönen Veranstaltungen auch aus. Dieses Jahresende könnte also ganz besinnlich werden.

Doch zurück zu Ihrer Frage. Ob ich das Jahr ohne Publikum beenden kann? Ich kann nicht. Ich muss.