Alec Baldwin: „Ich liebe dich, Woody“
Zwei gefallene Filmstars treffen sich zum Kumpeltalk, nörgeln an der Gegenwart herum und tun so, als wäre nichts gewesen.

Alec Baldwin wusste schon, was er da tut. Mit zusammengekniffenen Augen, die Lippen geschürzt, kündigte er Anfang dieser Woche bei Instagram ein Interview an. „Am Donnerstag mache ich ein Instagram live mit ...“ die Auflösung flüstert er: „Woody Allen“. Er setzt noch nach: „... den ich liebe. Ich liebe dich, Woody“.
Die Aufmerksamkeit war ihm damit gewiss. Woody Allen ist in Hollywood mittlerweile quasi zur Persona non grata geworden, spätestens seit im vergangenen Jahr eine Dokumentarserie von HBO veröffentlicht wurde, in der seine Adoptivtochter Dylan Farrow ihm zum wiederholten Male vorwarf, sie als Kind sexuell missbraucht zu haben. Viele Kollegen distanzierten sich in den letzten Jahren schon von Allen, Amazon cancelte einen Deal über vier Filme mit ihm. Allen bestreitet Dylans Vorwürfe bis heute.
Auch Baldwin hat sein Image des erratischen Sympathieträgers eingebüßt. Im vergangenen Jahr löste sich bei Dreharbeiten ein Schuss aus seiner vermeintlich ungeladenen Pistole und tötete die Kamerafrau Halyna Hutchins. Ihrem Witwer, der Baldwin und die Produktion anschließend verklagte, warf der Schauspieler indirekt vor, nur auf Geld aus zu sein.
Diese beiden hätten also tatsächlich einiges zu besprechen gehabt.
Nichts von Gewicht
Stattdessen ging es um Allens neues Buch, eine Sammlung von Kurzgeschichten namens „Zero Gravity“, weil laut Allen nichts von Gewicht drinsteht. Er habe ja in der Vergangenheit gern im New Yorker veröffentlicht, nun aber seien dort die gedruckten Formate zu kurz für seine Geschichten. Könnte es noch andere Gründe geben, warum Allen nicht gedruckt wird? Dazu kein Wort.
Dann sprach Allen über seine Jazz-Karriere, die durch viel Üben irgendwann abgehoben sei. „Hier gibt es eine Botschaft: Wenn du etwas wirklich liebst und es aufrichtig verfolgst, gibt es die Chance, dass ...“ – den Rest enthielt Allens schlechtes Internet den Zuschauern vor.
Baldwin nutzte die Pause, um in schlechtem Spanisch eine Frau im Nebenraum anzuschreien, sie solle die Hunde ruhig halten. Dann war Allen zurück und der Schauspieler weihräucherte weiter. Allens Filme seien für ihn wie eine warme Badewanne und er sei ja auch so lieb und respektvoll zu anderen Menschen, das weiß Baldwin aus Allens Biografie. Verstehe seine Frau (Soon-Yi Previn, ebenfalls Adoptivtochter von Mia Farrow) denn seinen Humor? Na klar, sie wolle sogar, dass er in seinen Geschichten über sie herziehe. Das sei in der Welt des Humors die bedeutendste Art, Liebe zu zeigen.
In der Pandemie habe Allen gemerkt, wie gern er eigentlich zu Hause sei, keine Termine, nur Schreiben und Klarinette spielen, das sei ein schönes Leben. Wolle er denn noch Filme machen? Er will, einen oder zwei, den nächsten dreht er im Herbst in Paris. Warum nicht mehr? Das Showgeschäft sei ihm zunehmend zuwider. Filme kämen nur noch kurz im Kino, das Theater lebe von Stars, die es dann wiederum versauten.
Baldwin nickt. Traurig, wie diese Welt den Bach runtergeht. Die beiden Männer können nur hilflos zusehen. Immerhin haben sie einander.