Apple-Serie „Extrapolations“: Hollywoodstars in der Klimakrise

Meryl Streep, Edward Norton, Sienna Miller und viele mehr geben in dieser Science-Fiction-Serie alles. Am Ende will das nicht so ganz reichen.

Nach dem Tod von Meryl Streeps Figur lebt ihre Stimme in einem Buckelwal weiter.
Nach dem Tod von Meryl Streeps Figur lebt ihre Stimme in einem Buckelwal weiter.Apple TV+

„Ich würde gerne noch mal Mutter werden“ sagt Frau Buckelwal und die Wissenschaftlerin (Sienna Miller) vor der Scheibe ist ergriffen. Weil sie selbst Mutter ist, von einem Kind, das besonderen Schutz braucht, weil sie gerade dem wahrscheinlich letzten Wal auf der Welt gegenübersteht und weil dieser Wal mit der Stimme ihrer eigenen verstorbenen Mutter (Meryl Streep) zu ihr spricht. Letzteres darf ihr Arbeitgeber nicht erfahren. Die Firma hat die Nutzung von Stimmenavataren im Umgang mit Wildtieren verboten, um zu verhindern, dass eine fehlgeleitete emotionale Bindung zwischen Wissenschaftler und Forschungsobjekt entsteht. Genau deshalb hat sich Dr. Shearer allerdings dafür entschieden: „Es hilft mir, bessere Fragen zu stellen“, sagt sie ihrem skrupellosen Kollegen, der dem Wal falsche Hoffnungen macht.

In dieser zweiten Folge der Apple-Serie „Extrapolations“ (Hochrechnungen) schreibt die Menschheit das Jahr 2046. Die globale Durchschnittstemperatur ist um 1,8 Grad angestiegen, über 400.000 Spezies sind seit der Jahrtausendwende ausgestorben. Manche davon sollen im Labor zurückgebracht werden, allerdings voraussichtlich nur als Ausstellungsstücke für teure Zoos. Denn einen Lebensraum in freier Natur gibt es für Tiere nicht mehr. Die Menschen halten sich mit Technik über Wasser, immer öfter buchstäblich. Stürme und Überschwemmungen sind an der Tagesordnung, die Wälder brennen und in vielen Teilen der Welt macht die Hitze es tagsüber unmöglich, sich draußen zu bewegen.

Das wird keine leichte Geburt: Sienna Miller als schwangere Wissenschaftlerin im Waldbrandgebiet
Das wird keine leichte Geburt: Sienna Miller als schwangere Wissenschaftlerin im WaldbrandgebietApple TV+

Noch mehr als sonst muss man sich wundern, dass der Jiddismus Mentsh auch hier noch als höchstes Kompliment gemeint ist. Die Menschen haben die Erde zerstört, und während die meisten von ihnen nun leiden und vorzeitig sterben, profitieren wenige in astronomischem Ausmaß von der Katastrophe. Einigen ist einfach alles egal („Am Ende des Jahrhunderts lebt hier sowieso nichts mehr“). Und der reichste Mann der Welt labt sich an seinen Allmachtsfantasien, den Erduntergang kurzfristig bei Bedarf abwenden zu können, indem er den überschüssigen Kohlenstoff einfach wieder aus der Atmosphäre saugen lässt. Kit Harrington spielt diesen Elon-Musk-Verschnitt mit glattgezogenem Gesicht auf einem faltigen Hals. Zumindest bei der medizinischen Verjüngung gibt es im Jahr 2070, in dem die Serie endet, offenbar noch Luft nach oben.

„Welche Flüchtlinge haben die Rettung verdient?“

Über einen Zeitraum von 33 Jahren blickt der Drehbuchautor, Regisseur und Produzent Scott Z. Burns („Contagion“, „Eine unbequeme Wahrheit“, „The Report“) in „Extrapolations“ aus verschiedenen Perspektiven auf den voraussichtlichen Untergang der Menschheit. Die acht Episoden hängen lose miteinander zusammen, nehmen aber stets neue Protagonisten in den Fokus. Einen Rabbi zum Beispiel, der sich Gedanken über Schuld macht, eine schwerreiche Wissenschaftlerin, die ihr Kapital aus Demokratiefrust in rigorose Manöver zur Klimarettung investiert, oder einen Mann, der beruflich in die Rollen anderer Menschen schlüpft. Auf Stundenbasis ersetzt er einer Mutter den verstorbenen Sohn oder einem kleinen Mädchen den abtrünnigen Vater – bestimmte körperliche Merkmale oder Fähigkeiten wie Fremdsprachen erhält er vor dem Termin auf Knopfdruck.

Marion Cotillard als glamouröse Gastgeberin in der siebten Folge
Marion Cotillard als glamouröse Gastgeberin in der siebten FolgeApple TV+

Man liest es schon, es steckt viel drin in dieser prominent besetzten Serie. Neben Streep, Miller und Harrington tauchen in anderen Folgen unter anderem Edward Norton, Marion Cotillard, Forest Whitaker und Tobey Maguire auf – leider überwiegend in wenig einnehmenden Rollen. Denkanstöße bieten die Versuchsanordnungen trotzdem zuhauf, mitsamt der Erkenntnis, dass für diese Science-Fiction-Erzählung gar nicht sonderlich viel Vorstellungskraft gefordert war.

„Wie viele Menschen sind auf der Flucht?“ fragt ein junges Mädchen das intelligente Wesen, mit dem sie offenbar die meiste Zeit verbringt: Die Siri-artige KI namens Alpha, die den Alltag in dieser nahen Zukunft bestimmt. „Und welche von ihnen haben die Rettung verdient?“

Die Zuschauer blicken in eine Welt, in der Menschen sich entscheiden können, mit welchen Erinnerungen sie leben möchten, in der es eine Heilung für Krebs gibt und in der für gesunde Nahrung weder Pflanzen angebaut noch Tiere getötet werden müssen, auch wenn der Fraß dann leider nicht schmeckt. In der über die Frage nach der Patentfreigabe für lebenserhaltende Technologien entschieden werden muss und sowohl mit der Zerstörung des Planeten als auch seiner Rettung lukrative Geschäftsmodelle einhergehen.

Leider schwanken die verschiedenen Episoden deutlich in der Qualität, manche haben sehr spürbare Längen oder kommen in ihrer Gänze relativ willkürlich daher. Wer bis zum Ende dranbleibt, wird sich wahrscheinlich trotzdem nicht ärgern. Nicht, weil man viel gespürt oder viel verstanden hätte, sondern weil man nun viel denken möchte.

Extrapolations. Serie, 8 Folgen, Apple TV+