Apple-Serie „Shrinking“: Wenn der Therapeut sich nicht im Griff hat
Mit einer neuen Comedyserie will Apple an den Erfolg von „Ted Lasso“ anknüpfen. Das Konzept geht nicht auf – trotz Harrison Ford.

Die Serie „Ted Lasso“ ist eines der großen Aushängeschilder von Apples Streaming-Plattform Apple TV+. Deren Marktanteil rangiert in Deutschland bei nur vier Prozent und auch international liegt er kaum höher. Dafür sind die Originalformate bei den großen amerikanischen Preisverleihungen überdurchschnittlich erfolgreich. Der Film „Coda“ gewann 2022 als erste Streaming-Produktion den Oscar für den besten Film, „Ted Lasso“ wurde die vergangenen zwei Jahre in Folge als beste Comedy-Serie ausgezeichnet. Darin spielt Jason Sudeikis den titelgebenden amerikanischen Footballtrainer, der in England eine Fußballmannschaft trainieren soll und mit seiner grundpositiven Haltung noch das zynischste Gemüt für sich einnehmen kann.
In der Hoffnung, diesen Erfolg zu reproduzieren, haben die Verantwortlichen bei Apple zwei wichtige „Ted Lasso“-Player für eine neue Serie akquiriert: den Showrunner Bill Lawrence und den Schauspieler Brett Goldstein, der in der Fußballkomödie den umwerfend knurrigen Kicker Roy Kent (nach dem Vorbild der irischen Manchester-United-Legende Roy Keane) verkörpert. Das Konzept zu „Shrinking“ entwickelten die beiden zusammen mit dem Schauspieler Jason Segel, den die meisten wahrscheinlich aus der Sitcom „How I Met Your Mother“ kennen und der auch hier die Hauptrolle übernimmt.
Unsympathisch und unglaubwürdig
Segel spielt Jimmy, einen Witwer und Therapeuten in Trauer, der nach einer von vielen durchzechten Nächten entscheidet, dass sich einiges ändern muss. Als ihm eine seiner Patientinnen zum gefühlt hundertsten Mal von ihrem furchtbaren Ehemann erzählt, um dessen Demütigungen im nächsten Satz dann gleich wieder zu relativieren, platzt ihm der Kragen. Sie solle ihn verlassen und zwar plötzlich, Sitzung beendet. Die unwirsche Ansage trägt Früchte, und Jimmy leitet daraus eine neue Strategie ab. Von nun an will er seinen Patienten die Wahrheit oder zumindest seine Meinung sagen anstatt zu warten, dass sie von selbst darauf kommen.
Und noch einen zweiten Vorsatz fasst er an diesem Tag. Das Verhältnis zu seiner Teenager-Tochter Alice (Lukita Maxwell), die auf die Anwesenheit ihres Vaters nur noch mit Augenrollen reagiert, soll sich endlich wieder verbessern. Offenbar hat er sich seit dem Tod seiner Frau vor einem Jahr kaum um Alice gekümmert, was er mit dem Satz erklärt, sie sehe einfach zu sehr aus wie ihre Mutter.

So weit, so unglaubwürdig. Auch die unkonventionelle Therapie-Methode bildet keinen überzeugenden dramaturgischen Überbau. Die allesamt künstlich und unsympathisch daherkommenden Patienten werden von den Autoren in unregelmäßigen Abständen eingestreut, keiner von ihnen vermag beim Zuschauer einen Hauch von Empathie zu wecken, geschweige denn eine echte Relevanz für Jimmys persönliche Heldenreise mitzubringen. Auch dessen Kollegen in der Praxis zucken über sein hochgradig unethisches Treiben nach ein paar schnippischen Kommentaren letztlich nur mit den Schultern. Diese beiden sind allerdings dafür verantwortlich, dass man „Shrinking“ anfänglich immerhin eine Chance geben will.
Jessica Williams bringt ihre Erfahrung als Late-Show-Comedian auf subtile Weise mit ein und spielt die frisch geschiedene Therapeutin und ehemals beste Freundin von Jimmys verstorbener Frau um ein Vielfaches einnehmender als Segel den unbeholfenen Witwer. Noch den plattesten Witz trägt sie mit einer Selbstsicherheit vor, dass man als Zuschauer schon zweimal überlegen muss, ob das jetzt nicht doch lustig war. Das Beste an „Shrinking“ ist trotzdem Harrison Ford. Während Segels Figur an eine etwas abgewracktere Version von Ted Lasso erinnert, gibt Ford einen älteren Roy Kent. Er spielt Jimmys an Parkinson erkrankten Mentor, so weise wie dauergenervt vom infantilen Gebären seiner beiden jüngeren Kollegen, die er gern zu jeder Gelegenheit im brummigen Timbre auf ihre Unzulänglichkeiten aufmerksam macht. Mit dieser Figur immerhin können sich die Zuschauer problemlos identifizieren.
Shrinking. Serie, 12 Folgen, Apple TV+, jeden Freitag eine neue Folge