Jüngste Preisträgerin aller Zeiten: Sofía Otero schreibt Berlinale-Geschichte
In „20.000 Species of Bees“ spielt die Spanierin einen Jungen, der lieber ein Mädchen wäre. War die Entscheidung politisch motiviert? Völlig egal!

„Ich möchte der Jury dafür danken, dass sie an mich geglaubt hat“, sagt das Mädchen auf der Bühne, umklammert den Silbernen Bären vor ihrem Bauch und schluchzt los. Mit ihren acht Jahren ist die Spanierin Sofía Otero die jüngste Preisträgerin in der Geschichte der Filmfestspiele.
In dem spanischen Debütfilm „20.000 Species of Bees“ der Regisseurin Estibaliz Urresola Solaguren spielt sie ein Kind auf Namenssuche. In seinem Pass steht Aitor, der Spitzname ist Cocó, doch beides fühlt sich falsch an. Genauso falsch, wie sich die Haare kurz schneiden zu lassen, Hemden zu tragen oder im Stehen zu pinkeln. Schnell wird klar: Dieser langhaarige Junge wäre wahrscheinlich lieber ein Mädchen.
Sie habe sich für die Rolle über 500 Mädchen angesehen, erzählt die Regisseurin im Interview. Sofía war schon früh mit dabei und sollte ursprünglich eine Nebenrolle übernehmen: „Sie konnte toll improvisieren, aber passte nicht ganz in meine Vorstellung von der Hauptfigur. Erst am Ende des Casting-Prozesses merkte ich, dass ich ihr nie eine richtige Chance gegeben hatte, und ließ sie noch einmal als Cocó vorsprechen. Ihre Darstellung war völlig überwältigend. Sie war Cocó.“
Dank an „den besten Papa der Welt“
Sofía Otero stand für den Film zum ersten Mal vor der Kamera. „Selten sieht man so viele Emotionen und gleichzeitig erschütternde Einfachheit“, begründete Jury-Mitglied und Casting-Direktorin Francine Maisler die Entscheidung, bevor sie der Jungdarstellerin zusammen mit Kristen Stewart ihren Bären überreichte.
Dass Oteros Darstellung mehr mit ihrer Persönlichkeit als mit dem Handwerk Schauspiel zu tun haben könnte, ist natürlich ein Vorwurf, der Kinderdarstellern stets in besonderem Maße entgegenschlägt. In diesem Fall kommt noch dazu, dass die Auszeichnung für eine trans Rolle bei so manchen den Verdacht auf eine politische Motivation der Verleiher weckt. Beides ist möglich, aber nicht von Belang. Otero spielt diesen jungen Menschen in Aufruhr mit einer furchtlosen Hingabe, die den ganzen Film zum Fliegen bringt; kein Gesicht bleibt aus diesem Wettbewerb intensiver in Erinnerung als das ihre.
Nach der Jury dankte das Mädchen auf der Bühne dem technischen Team, den Frisörinnen und Maskenbildnerinnen – Menschen, die eher selten im Rampenlicht stehen, mit denen Schauspieler am Set aber oft die meiste Zeit verbringen. Spätestens als es dann strahlend, mit nassen Wangen „dem besten Vater der Welt“ dankte, der sich im Publikum die Augen rieb, hatte man vor dem Fernseher selbst mindestens einen Kloß im Hals.