Klaas Heufer-Umlauf: „Wir werden es schwer haben, auf diesem Planeten weiterzuleben“

Klaas Heufer-Umlauf im Gespräch über politisches Engagement, seine Verbindung zur SPD, deutsches Fernsehen und seine Rolle in der Serienadaption „Der Schwarm“.

Der Moderator und Schauspierler Klaas Heufer-Umlauf
Der Moderator und Schauspierler Klaas Heufer-UmlaufBenjamin Pritzkuleit

Als „den geborenen Menschenfänger“ beschreibt das ZDF die Figur des Tiefsee-Tauchbootführers Luther Roscovitz in der 40 Millionen Euro teuren Adaption von Frank Schätzings Bestseller „Der Schwarm“, die in diesem Jahr bei der Berlinale die Seriensektion eröffnet.

Spielt Klaas Heufer-Umlauf in der Serie über eine kollektive Intelligenz aus dem Meer, die der Menschheit an die Gurgel will, also sich selbst? Wir haben den Moderator gefragt, ob er sich für einen guten Schauspieler hält, wie es um das deutsche Fernsehen steht, und ob er noch an das Fortbestehen der Menschheit glaubt.

Herr Heufer-Umlauf, als im vergangenen Dezember in Berlin der Aquadom explodiert ist – haben Sie da an den Schwarm gedacht?

Nee, da habe ich vor allem noch mal mein Misstrauen in solche Projekte weiterentwickelt. Normalerweise akzeptiert man ja immer einfach, dass solche gigantischen Sachen irgendwo rumstehen, auch wenn sie einem eigentlich komplett sinnlos erscheinen. Besonders bemerkenswert fand ich den sehr sachlichen Begriff, der schnell als Begründung für den Kollaps laut wurde: „Materialermüdung“. Eigentlich toll. Irgendwas geht einfach kaputt, noch weiß keiner genau warum, und plötzlich stehen da sehr viele Leute mit einem langen Studium neben toten Mantarochen auf dem Bürgersteig und sagen: „Ja klar! Materialermüdung!“

Sehen Sie darin etwas Exemplarisches für den Umgang mit Krisen oder offenen Fragen?

Menschen überspielen ständig ihre Unwissenheit mit vermeintlich sachlichen Behauptungen. So ist es übrigens auch oft mit Dingen aus der Tiefsee. Wenn irgendwo an einem einsamen Strand in Asien etwas angeschwemmt wird, das noch niemand je zuvor gesehen hat, werden zwei wackelige Videos und ein unscharfes Foto davon gemacht, danach kommt die Armee und räumt es weg. Später kommt jemand und sagt: „Das heißt Preglerfisch, kennen wir schon.“ Und dann wird nie mehr drüber geredet.

Das klingt verschwörerisch.

Soll es gar nicht. Aber ich finde es wichtig, sich immer wieder zu vergegenwärtigen, wie wenig wir eigentlich wissen. Auch über die Tiefsee. Wir wissen nicht, was da unten ist. Unsere Fachberaterin für die Serie, die Tiefseeforscherin Antje Boetius, habe ich mal gefragt, wie oft sie bei ihren Expeditionen etwas Neues entdeckt. Da hat sie gelacht und gesagt: „Jedes Mal!“ Natürlich nicht gerade jedes Mal den Megalodon, sondern irgendwelche kleinen Viecher, aber trotzdem. Ist doch irre!

Würde Sie so ein Tauchgang auch mal reizen?

Klar, aber ich habe zu viel Angst. Bei „Duell um die Welt“ bin ich schon mal mit einem U-Boot auf zehn Meter runter. Das hatte ein arbeitsloser Chinese gebaut, und entsprechend ging die Sache dann auch aus. Vier Stunden lang war ich in dieser Tiefe gefangen, irgendwann kam das Wasser oben rein. Seitdem ist meine U-Boot-Neugier gestillt.

Als „Der Schwarm“ als Roman rauskam, waren Sie 21. Haben Sie das Buch damals gelesen?

Ja, im Urlaub. Das ist ja eines dieser Bücher, die man anfängt, und plötzlich ist man schon durch.

Erinnern Sie sich noch, wie Sie damals über die Geschichte dachten?

Damals war das für mich pure Science-Fiction. Ich glaube, heutzutage ist man sich bewusster darüber, dass die Weltgesundheit im weitesten Sinne schnell kippen kann. Von damals erinnere ich mich an Sorgen über das Ozonloch, das ja gerade zum Glück wieder kleiner wird. Heute wirkt der Stoff in meiner Wahrnehmung noch viel symbolischer für den menschlichen Umgang mit der Welt und mit der Tatsache, dass die Natur sich irgendwann dafür rächen könnte.

War das auch ein Grund für Ihr Interesse an dem Projekt? Ihnen wird ja sicher viel angeboten.

Da kam einiges zusammen. Ich kannte das Buch, ich fand das Thema gut, und ich fand es spannend, mit so vielen verschiedenen Menschen aus Europa zusammenzuarbeiten, darunter jemand wie der Showrunner Frank Doelger. Auch die Aussicht darauf, viele Wochen in Italien zu verbringen, fand ich nicht schlecht. Und um es mal ganz ehrlich zu sagen: So viele gute Angebote kriege ich nicht, vielleicht auch, weil die Schauspielerei ja nicht mein Hauptjob ist.

Infobox image
Benjamin Pritzkuleit
Zur Person
Wenn Klaas Heufer-Umlauf auf der Straße erkannt wird, dann regelmäßig mit den Worten: „Guck mal, da ist Joko und Klaas!“ Die Karriere des 1983 in Oldenburg geborenen Entertainers ist untrennbar mit der des Moderators Joko Winterscheidt verbunden. Gemeinsam moderierten sie u.a die Formate „MTV Home“, „neo Paradise“, „Circus HalliGalli“ und „Joko & Klaas: Das Duell um die Welt“.

Seit 2018 hat Heufer-Umlauf seine eigene Show, „Late Night Berlin“ auf ProSieben. Er engagiert sich öffentlichkeitswirksam für zahlreiche soziale und politische Projekte, darunter die Seenotrettung von Geflüchteten im Mittelmeer. Im vergangenen November übergaben Heufer-Umlauf und Joko ihre jeweiligen Instagram-Accounts mit circa einer Million Followern für immer an iranische Aktivistinnen, um Aufmerksamkeit für die Protestbewegung im Land zu generieren.

Frank Doelger hat unter anderem „Game of Thrones“ mitproduziert. Löst das bei Ihnen eine gewisse Ehrfurcht aus?

Er ist ein total interessanter und irgendwie auch kurioser Typ, mit dem man sich natürlich gerne unterhält.

Gucken Sie noch viel Fernsehen?

Ja. Alles.

Wie sieht es mit Streaming aus?

Auch mal. Aber – und ich glaube, das liegt an meiner Sozialisierung – wenn ich lineares Fernsehen gucke, habe ich das Gefühl, dass ich am Weltgeschehen teilnehme. Selbst wenn ich irgendeinen Schwachsinn gucke. Die Gleichzeitigkeit gibt mir das Gefühl von einem Miteinander. Das fehlt mir beim Streaming.

Ist das Fernsehprogramm in den letzten zehn Jahren besser oder schlechter geworden?

Besser ist es nicht geworden, aber man kann es sich selbst besser zusammenstellen. Es gibt einfach mehr. Auch mehr Schrott. Gewisse Schrauben haben sich sicher in eine Richtung weitergedreht, die ich nicht gerade toll finde.

Zum Beispiel?

Dass Reality TV jetzt quasi eine eigene Branche ist. Man kann dem natürlich aus dem Weg gehen, aber das bedeutet, dass man selbst gefragt ist. Das kann anstrengend werden, aber es passiert. Auch weil viele Zuschauer anspruchsvoller geworden sind. Früher habe ich selbst oft Sachen geguckt, die ich total kacke fand, einfach in der Hoffnung, dass danach was Besseres kommt. Auch davon hat die Branche lange gelebt. Das geht jetzt nicht mehr.

Machen Sie sich Gedanken darüber, ob die Zuschauer lachen, wenn sie Sie in einer ernsten Rolle in „Der Schwarm“ sehen?

Ich glaube, dahingehend gab es in meiner Karriere für die Leute schon größere Herausforderungen als eine fiktionale Serie, auf die man sich hoffentlich leicht einlassen kann. Auch mit Joko habe ich ja immer wieder getrennt zwischen Sachen, die ganz klar lustig waren, und solchen, bei denen es um etwas ganz anderes ging. Ich habe mich selbst nie als Comedian wahrgenommen, auch wenn ich meistens irgendwelche unterhaltsamen Dinge mache. Ich kann aber verstehen, wenn man erst mal eine Weile braucht, um anzuerkennen, dass ich diesmal eine Rolle spiele. Aber das ist zu einem großen Teil auch die Verantwortung der Produktion.

Sind Sie ein guter Schauspieler?

Also ich könnte jetzt nicht alles spielen. Für, sagen wir mal, Otto von Bismarck oder als Zuschauermagnet in der Schaubühne sollte man vielleicht jemand anderen fragen. Aber so manches kann ich, und da sollen dann die Profis beim Casting entscheiden, ob es passt. Herbert Grönemeyer ist ja auch kein Fünf-Oktaven-Sänger, aber es gibt Lieder, die kann er ganz gut. In meiner Branche ist es nicht schlecht, wenn man sich erst mal alles mögliche zutraut, aber man darf dann nicht beleidigt sein, wenn sich rausstellt, dass das gar nicht stimmt.

Auf der Suche nach Eiswürmern: Klaas Heufer-Umlauf als Tauchbootführer Luther Roscovitz
Auf der Suche nach Eiswürmern: Klaas Heufer-Umlauf als Tauchbootführer Luther RoscovitzZDF

Bemerkenswert an „Der Schwarm“ als Horrorstoff ist, dass man sich als Leser oder Zuschauer immer wieder auf der Seite der Macht wiederfindet, die die Menschheit auslöschen will. Ging Ihnen das auch so?

Klar. Wir sehen hier einen konkreten Warnschuss, den man sich so fast wünschen würde. Man merkt gerade ja ständig, inwiefern der Satz „There is no glory in prevention“ zutrifft. Das gilt für alle möglichen Dinge. Eine herannahende Pandemie zum Beispiel, die erst aufgehalten wird, wenn die Krankenhäuser niemanden mehr aufnehmen, oder eine Klimakatastrophe, die erst anerkannt wird, wenn bestimmte Bereiche unserer Welt unbewohnbar werden oder nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden können. Wenn das Leben, das man vorher geführt hat, so nicht mehr weitergeführt werden kann. Dann ist es aber zu spät.

Wie groß ist Ihre Hoffnung für das Weiterbestehen unserer Spezies?

Ich hoffe sehr, dass wir uns in einer Situation befinden, in der viele schlaue Leute sich gerade die richtigen Gedanken machen und meine Einschätzung nicht viel wert ist.

Und welche wäre das?

Ich hoffe einfach, wir kriegen noch mal die Kurve. Aber ich befürchte, es wird schmerzhaft. Dass die Menschheit sich an den Klimawandel anpassen kann, halte ich für großen Quatsch. Wir werden es schwer haben, auf diesem Planeten weiterzuleben. Und das trifft natürlich vor allem die Menschen, die weniger privilegiert sind. Mit Geld und Privilegien kann man sich meistens sehr lange verstecken. Die Schutzlosen trifft es zuerst, weil sie keinen Zugriff auf Hilfsmittel haben, die man womöglich irgendwann brauchen wird, um auf einer Welt zu überleben, die dafür eigentlich nicht mehr geeignet ist.

Sie nutzen regelmäßig Ihre große Plattform, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Im vergangenen November zum Beispiel haben Sie und Joko Ihre jeweiligen Instagram-Accounts mit circa einer Million Followern für immer an iranische Aktivistinnen übergeben. Wie entscheiden Sie, für welche Sache Sie sich engagieren?

Das ist immer ganz schwierig. Man kann ja Leid nicht gegeneinander aufwiegen. Es gibt einfach ein paar Dinge, die mein Herz höher schlagen lassen als andere. Manchmal kenne ich die Gründe dafür, manchmal nicht. Generell ist es mir wichtig, mich nachhaltig für Themen zu engagieren. Wenn man sich zu viel auf die Fahne schreibt, mal dies, mal das macht und dann wieder loslässt, kann das einer Sache sogar schaden. Man muss auch seinen Platz kennen und sich zum Beispiel nicht in dem Größenwahn verlieren, dass man ein Problem allein lösen könnte. Man muss da sehr realistisch rangehen, was natürlich oft enttäuschend ist. So stelle ich mir übrigens auch Regierungsarbeit vor, mit der erschreckenden Erkenntnis, wie klein der Mosaikstein, den man bearbeiten kann, am Ende eigentlich ist. Das darf natürlich nicht dazu führen, dass man nichts mehr macht. Man muss einfach herausfinden, wo man hilfreich ist und wo man womöglich im Wege steht.

Wieviele Hilfegesuche erreichen Sie und wie gehen Sie damit um?

Es gibt ein paar Sachen, bei denen ich schwer nein sagen kann. Das sind zum einen Dinge, die sehr von Aufmerksamkeit profitieren. Oder Probleme, die mit Geld gelöst werden können. Viel zu oft ist der Zugang zu den eigenen Rechten noch immer eine Geldfrage. Und das ist unfair. Man muss Menschen bezahlen, damit die einem sagen, welche Rechte man hat. Diese Zugänglichkeit muss sich verbessern. Wenn jeder das Recht für sich in Anspruch nehmen würde, das ihm durch die Gesetze zusteht, die es längst gibt, dann wäre schon viel gewonnen.

Ist Ihnen die SPD als Partei in diesem Ziel nach wie vor am nächsten?

Das kann man so in der Gesamtheit nicht sagen. Ich bin kein SPD-Mitglied und auch in keiner anderen Partei. Es gibt bestimmte Menschen, von denen ich viel halte, zum Beispiel Lars Klingbeil, den ich schon deutlich länger kenne, als er Parteivorsitzender ist. Es gibt aber auch bei der CDU Menschen, die ich toll finde. Wenn es nicht gerade irgendwelche Mitglieder von der AfD sind, kann man sich mit allen auseinandersetzen. Auch aus den Reihen der CDU können vernünftige Vorschläge kommen und vielleicht sogar von der FDP.

Mit welchen Gefühlen haben Sie auf die Proteste in Lützerath geschaut?

Ich war eigentlich ganz zufrieden. Die Katastrophe ist natürlich schon da. In der konkreten Sache war der Ausgang der ,kontrollierten Räumung‘ absehbar. Im größeren Kontext glaube ich aber schon, dass der Protest geholfen hat. Denn solche Bilder will kein Energiekonzern noch mal. Da wird man sich bei einer zukünftigen Entscheidung ganz genau überlegen, was man im Vorfeld tut, damit man nicht in aller Öffentlichkeit einknicken muss. So verschiebt Protest Stück für Stück die Grenze Richtung Gerechtigkeit. Ein wichtiger Baustein in einem langwierigen politischen Prozess, der eben nur über Lautstärke und durch konstantes Nerven vorangeht.

Der Schwarm eröffnet bei der Berlinale die Sektion Berlinale Series. Die Serie ist ab dem 22. Februar in der ZDF-Mediathek verfügbar und läuft ab dem 6. März im ZDF.