„El Eco“: Frauen und Mädchen halten das Dorfleben am Laufen
Berlinale: Tatiana Huezo zeigt in ihrem Dokumentarfilm mit freundlichem Blick das Zusammenleben von Mensch und Tier. Sie lehrt uns Demut.

In der noch jungen Berlinale-Sektion Encounters haben wir schon einige wunderbare Tiere sehen können. In diesem Jahr gibt es mit „El Eco“ gleich einen ganzen Bauernhof: Ein weißes Kaninchen wackelt mit der Nase. Ein Pferd jagt ehrgeizig schnell über Grasflächen. Eine Katze darf mit im Bett schlafen. Ein Hütehund legt den Kopf schief, als er eine Melodie hört. Ein Schaf rutscht bei Dauerregen in ein Sumpfloch, ein anderes bekommt ein Lämmchen, ein drittes kann sich nicht wehren, als der Truthahn sich seinen Kopf als Hochsitz aussucht. Und immer sind die Menschenkinder dabei, dazwischen.
Die mexikanisch-salvadorianische Filmemacherin Tatiana Huezo begleitet in diesem um fiktive Elemente angereicherten Dokumentarfilm das Leben dreier Familien in einer wenig erschlossenen Region im Hochland von Mexiko. Hier gibt es keinen Tourismus, keine Industrie, nicht mal eine ordentliche Straße. Den Hütten der Menschen im Dorf El Eco sieht man an, dass sie oft nur notdürftig geflickt worden sind. Als der Vater, der wie ein Besucher aus der fernen Stadt hereinschneit, von der Arbeit erzählt, klingt es wie ein Märchen, dass er 17-stöckige Häuser baut. Die sind hier genauso schwer vorstellbar wie die Reisen zum Mond, von denen die Kinder in der Schule hören.
Die Kamera sieht alles
Die Bilder wechseln schnell vom Blick in die Augen eines wiederkäuenden Schafs zum Porträt eines Jungen mit schiefen Zähnen, vom Pusten in das Ofenloch des Küchenherds zum Füttern der bettlägerigen Großmutter. Mensch und Tier leben eng beieinander und füreinander. Die Kamera sieht alles. Vor allem Frauen und Mädchen: Sie versorgen rund um die Uhr ihre Familien und das Vieh. Den vielleicht fünfjährigen Jungen stoppt der Vater beim Abräumen seines Tellers: Lass das, der Abwasch ist Frauensache.
Eine Tochter fragt ihre Mutter, warum sie so früh geheiratet habe, mit 14. Die antwortet verlegen: Weil ich mit deinem Vater zusammen sein wollte. Dann möchte die Mutter von der Tochter wissen, ob sie immer noch Tierärztin werden wolle. Dann dürfe sie nicht den Fehler machen und zu früh von der Schule abgehen. Ob das Mädchen es schafft? Ob sie den Weg aus dem Dorf findet? Diese Antwort kann der Film nicht geben. Doch liegt einzig in den Bildern aus der Schule Hoffnung.
Die Landschaft ist weit und hügelig, häufige Regenfälle sorgen für Grün. Doch ist der Boden nicht besonders fruchtbar, und Maschinen zu seiner Bearbeitung gibt es nicht. Das modernste technische Gerät in diesem Film ist ein Dampfbügeleisen. Einmal, als es darum geht, Diebe aufzuspüren, fragt jemand nach einem Telefon, doch kommt gar kein Funksignal in die Region. Zwei Mädchen haben ein Smartphone, das ihnen Musik vorspielt; das wirkt wie ein Fehler in einem historischen Setting. „El Eco“, der zusammen mit einem weiteren Dokumentar- und einem Spielfilm zu Tatiana Huezos „Trilogie von Schmerz und Trauma“ gehört, zeigt einen schmucklosen Kreislauf des Lebens und lehrt uns Zuschauer aus der Wohlstandsgesellschaft Demut.
El Eco. Encounters. Mexiko/Deutschland 2023. 102 Minuten