Selenskyjs Mann in Berlin ist Sean Penn: „Wenn Russland siegt, sind wir am Arsch“
Der politischste Moment des Festivals: Sean Penns Dokfilm „Superpower“ über den ukrainischen Präsidenten und den Krieg hatte bei der Berlinale Weltpremiere.

Politischer wird es nicht mehr auf den Berliner Filmfestspielen, von denen immer alle verlangen, sie mögen ein politisches Festival sein. Der amerikanische Schauspieler Sean Penn hat hier am Freitagabend seinen Film „Superpower“ gezeigt, und den Krieg in der Ukraine nach Berlin gebracht, der Jahrestag des Kriegsausbruchs steht kurz bevor. Es war die Weltpremiere, aber es gibt jemanden, der den Film noch vor dem Berliner Publikum zu sehen bekam. Vor Berlin war Sean Penn in Kiew, und hat ihn dem Mann gezeigt, der im Mittelpunkt von „Superpower“ steht: der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Das erzählt er nach dem Film vor der Leinwand in der Verti Music Hall.
Der ukrainische Botschafter sitzt im Publikum, die Kulturstaatsministerin Claudia Roth, jemand hat eine ukrainische Flagge umgelegt. Der künstlerische Leiter der Berlinale Carlo Chatrian ist vom Potsdamer Platz nach Friedrichshain gekommen und sagt, welche Ehre es für die Berlinale sei, diesen Film zeigen zu dürfen. Das Kino ist komplett ausverkauft. Während der Vorstellung gibt es Szenenapplaus, wenn der berühmt gewordene Satz fällt, den Selenskyj zu dem US-Präsidenten gesagt haben soll, als dieser ihm kurz nach Kriegsbeginn anbot, ihn außer Landes zu bringen: „Ich brauche keine Mitfahrgelegenheit, sondern Munition.“ Und am Ende gibt es Standing Ovations, aber nur von einigen im Publikum.
Sean Penn wusste nicht, dass es Krieg geben würde, als ihm die Idee gefiel, einen Film über einen Mann zu machen, der es vom Schauspieler zum Präsidenten gebracht hat. Er wusste auch nichts über die Ukraine, aber das gilt ja für viele, selbst in Europa, selbst in Deutschland. Sein Film ist auch eine Art Schnellkurs über die jüngste Geschichte des Landes. Er spricht mit Journalisten, Aktivisten, Politikern, Soldaten. Mit Frauen, deren Männer bei den Euromaidan-Protesten starben. Immer wieder ist auch das gegerbte Gesicht des 62 Jahre alten Sean Penn zu sehen, er raucht schier ununterbrochen, und es stehen Flaschen mit harten Getränken vor ihm auf dem Tisch. Whisky, später auch Wodka, als passe er sich allmählich den Landessitten an. Und dann hat er endlich den Termin, an dem ihn Präsident Selenskyj empfangen wird, und es ist zufällig die Nacht, in der der Krieg beginnt. Filmemacherglück, wenn man in so einem Zusammenhang von Glück überhaupt sprechen darf. Sean Penn spricht von einem „moment of extreme history“, einem historisch extrem wichtigen Moment. Schon allein wegen diesem wollen viele diesen Film sehen.

Die Handkamera wackelt ordentlich dramatisch, als sie sich auf den Weg in ein Untergeschoss des Präsidentenpalasts machen, wo der ukrainische Präsident sie empfängt, schon in dem olivfarbenen T-Shirt, das dann zu seinem Markenzeichen geworden ist: „Toll, dass ihr da seid.“ Sie sitzen auf Drehstühlen in einem winzigen Raum, sprechen nur ein paar Minuten, es geht um Freiheit und den Hass der Russen, dann verabschieden sie sich mit einer Umarmung. Sean Penn wirkt danach wie vom Blitz getroffen: „Ich habe dem Mut in die Augen gesehen“, sagt er.
„Superpower“ ist auch eine teils unangenehme Heldenerzählung, für die Selenskyj nichts kann. Man darf es ihm auch nicht übelnehmen, dass er jedes Mittel nutzt, um für Solidarität zu werben und Waffen zu fordern. Sean Penn scheint ihm dafür geeignet. Dieser steht bis heute im Bann des ukrainischen Präsidenten, sein Interesse an der Ukraine hat sich nicht erschöpft. Er ist immer wieder in das Land gefahren, hat an der Front gedreht, in Theatern, er hat sich wieder mit Selenskyj getroffen, versteht sich als eine Art Sonderbotschafter dieses Landes, das in seinen Augen einen Kampf um Freiheit und Demokratie für die ganze Welt führt.
Nach der Vorstellung tritt Sean Penn zusammen mit seinem Co-Regisseur Aaron Kaufman vor die Leinwand in Berlin-Friedrichshain und verknüpft das Schicksal der Ukraine mit einem einzigen Satz mit unserem, mit dem Schicksal der USA und der ganzen westlichen Welt: „If Russia wins, we are fucked“, sagt er. „Wenn Russland gewinnt, sind wir am Arsch.“
Superpower USA 2022, Regie: Sean Penn und Aaron Kaufman. 18.2., 14 Uhr, Verti Music Hall, 22 Uhr, Haus der Berliner Festspiele.