„Disco Boy“ mit Franz Rogowski: Das faszinierende Fremde
Das Debüt des italienischen Regisseurs Giacomo Abbruzzese zeigt die Welt der Fremdenlegionäre und betört mit seinem Soundtrack.

Es gibt sie tatsächlich noch, die französische Fremdenlegion. Mit all den Regeln, wie sie Giacomo Abbruzzeses Film „Disco Boy“ beschreibt: die harte körperliche Prüfung, die Möglichkeit, eine neue Identität anzunehmen, einen neuen Namen, die Belohnung mit der französischen Staatsbürgerschaft.
Die körperliche Präsenz des Schauspielers Franz Rogowski ist oft beschrieben worden. In keinem Film kam sie bisher stärker zum Einsatz. Sein Aleksei kommt aus Belarus und zusammen mit einem Freund träumt er von einem besseren Leben, in dem er Bordeaux trinken und Camembert essen kann. Der Freund verschwindet beim Überqueren eines Grenzflusses, Aleksei wird Soldat. Sein erster Einsatz führt ihn ins Nigerdelta, wo Guerillakämpfer versuchen, ihre Heimat vor dem ökologischen Tod zu retten, den die Ausbeutung der Ölfelder durch einen europäischen Konzern bedeutet.
Aber die reale Katastrophe dort ist nur eine Folie für Abbruzzeses Film. Das Delta mit den brennenden Fördertürmen, der geschundenen Erde dient als Kulisse für eine dystopische Traumwelt, wie sie dieser Film in seiner zweiten Hälfte ausbreitet. Auch wenn sie eine Fantasie sein soll, wirkt die Darstellung der Guerillas und ihres Dorfes unangenehm exotistisch. Ihre Darstellung als moralisch überlegene Wilde, die die Verbindung zu ihren spirituellen Wurzeln noch nicht verloren haben, kulminiert in dem Tanz, den der Anführer der Guerillas (Morr N’Diaye) und die Schwester (Laetititia Ky) aufführen, er der Anführer der jungen Widerstandskämpfer.
Bordeaux an der Clubtheke in „Disco Boy“
Als der belarussische Fremdenlegionär den Bruder tötet – eine Szene, die ihre Bedeutung als Metapher gewinnt, indem der Kampf im Wasser mithilfe kolorierter Infrarotaufnahmen dargestellt wird, verknüpft sich das Schicksal der drei.
Plötzlich ist man wieder in Frankreich, und Giacomo Abbruzzese hat aus der schönen Schwester eine Go-go-Tänzerin in einem Nachtclub gemacht, wo Aleksei ihr begegnet. Sie bleibt die Fremde, von der eine besondere Faszination ausgeht. Das Beste an dem Film ist sein betörender Soundtrack, sind die Szenen, in den Aleksei Bordeaux an der Clubtheke kippt. Ein Getränk, das komplett aus der Mode gekommen sei, wie ihn der Barkeeper aufklärt. Eine belarussische Frankreich-Fantasie.
Disco Boy. Frankreich, Italien, Belgien, Polen 2023, Regie: Giacomo Abbruzzese. Vorstellungen: 20.2., 19 Uhr, Verti Music Hall, 21 Uhr, UCI Luxe Gropius-Passagen, 22.2., 10 Uhr, Verti Music Hall, 22. 2., 12.30 Uhr, Zoopalast 1, 26.2., 19.30 Uhr, Verti Music Hall.