„Ingeborg Bachmann: Reise in die Wüste“: Gescheiterte Liebe
In Margarethe von Trottas Verfilmung der Beziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch sind die Sympathien klar verteilt.

Es ist ein guter Zeitpunkt für einen Film über Ingeborg Bachmann und Max Frisch. Ende November 2022 erst ist der Briefwechsel eines der berühmtesten Liebespaare der Literaturgeschichte als Buch erschienen. Dessen Titel beschreibt schon das Scheitern der Beziehung: „Wir haben es nicht gut gemacht“. Ein Band von mehr als 1000 Seiten, der einige Wochen auf den Bestsellerlisten stand. Dieses Interesse kann der Film mitnehmen, und die Leser werden in den Hauptfiguren, gespielt von Vicky Krieps und Ronald Zehrfeld, nach den realen Menschen suchen.
Margarethe von Trotta legt „Ingeborg Bachmann: Reise in die Wüste“, ihre siebte Berlinale-Teilnahme, jedoch nicht als typisches Biopic an. Zwar scheinen Zeit- und Lokalkolorit ihr sehr wichtig zu sein, bei den Figuren aber geht sie freier vor. Von Rosa Luxemburg über Hildegard von Bingen bis zu Hannah Arendt interessiert sich diese Regisseurin ja immer schon vor allem für prägende Ideen und Ereignisse in den Biografien von Frauen.
Die Wüste als Metapher
Und so umfasst der Film zwar zeitlich im Wesentlichen jene vier Jahre der Gemeinsamkeit und der Entfremdung des Paars, geht aber nicht chronologisch vor. Dazwischen sind mehrere Szenen einer Ägypten-Reise montiert, auf der sich die Dichterin von ihrem Zusammenbruch nach der Zeit mit Frisch erholen wollte. Das ist der direkte Bezug zur Wüste im Titel. Bachmann fühlte sich durch den jüngeren österreichischen Schriftsteller Adolf Opel, durch Sand und Licht zumindest zeitweise gerettet. Er berichtete später in einem Buch davon: „Wo mir das Lachen zurückgekommen ist“.
Die Wüste, so interpretierten es Margarethe von Trotta und ihre Hauptdarstellerin Vicky Krieps in der Berlinale-Pressekonferenz selbst, meint auch eine Reise ins Innere: die Suche nach einer Stille, die es ermöglicht, klar zu denken. Diese Erklärung klingt gut, beim Sehen des Films liegt sie leider nicht auf der Hand.
Die Österreicherin Bachmann (1926–1973) und der Schweizer Frisch (1911–1991) waren, als sie sich 1958 in Paris kennenlernten, beide schon anerkannte Autoren, sie hatte zwei Gedichtbände und Hörspiele veröffentlicht, er wurde gerade für sein Theaterstück „Biedermann und die Brandstifter“ gefeiert. Das Geistige, das Ringen um Worte hätte sie verbinden können, doch bald stellte sich heraus, dass ihre Zugänge zum Schreiben sich ebenso unterschieden wie ihr Blick auf die Welt.
Nur kurze Zeit spielen Vicky Krieps und Ronald Zehrfeld eine glaubhafte Anziehung. Der Film zeigt Bachmann und Frisch früh als Antagonisten. Die beiden behindern sich eher in der Arbeit, als dass sie sich befruchten. Sie fühlt sich in Zürich bei ihm nicht wohl, er sich nicht bei ihr in Italien. Sie flieht zu dem Komponisten Hans Werner Henze, mit dem sie bei Margarethe von Trotta eine geschwisterliche Liebe verbindet. So zaghaft wie Tobias Resch den Adolf Opel spielt, so einfühlsam stellt Basil Eidenbenz den Henze dar, setzt damit einen weiteren Gegensatz zu der Rolle und dem Darsteller des Max Frisch. Als massiger Mann, dessen Sprache Zehrfeld leider nicht einen Hauch schweizerisch klingen lässt, trampelt er in das Leben der zarten, sensiblen, auch humorvollen Frau. In dem Drehbuch, das Margarethe von Trotta selbst schrieb, hat Max Frisch keine Chance. Wir schauen einer nach heutigen Begriffen toxischen Beziehung zu.
In den Texten steckt mehr
Auch Krieps hat nichts Österreichisches an sich, aber sie transportiert wenigstens die Brüchigkeit der Bachmann, einerseits das Zögernde, andererseits das Kraftvolle ihrer Sprache. Ihre Figur erscheint zudem wie eine Mode-Ikone, die Ausstattung hat für diese Rolle Dutzende raffiniert geschnittene Kleider, Röcke und Blusen besorgt. Die werden begleitet durch verschiedene Handtaschen-Modelle, Ketten und Ohrschmuck. Und Bachmann wird bewundert, man sieht sie mit Fans ebenso wie bei ihrer durch das Zitat „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ berühmt gewordenen Dankrede zum Hörspielpreis der Kriegsblinden.
Wann immer Vicky Krieps Bachmanns Interview-Aussagen wiedergibt, aus ihrer Lyrik oder Prosa vorträgt, deutet sich an, dass noch viel mehr über die Schriftstellerin zu sagen wäre. Und dass es bewegender sein dürfte, ihre Bücher zu lesen.
Ingeborg Bachmann: Reise in die Wüste. Wettbewerb, 20. Februar, 12.30 Uhr, Zoo-Palast, 16 Uhr ,Verti Music Hall, 26. Februar, 17.30 Uhr, Haus der Berliner Festspiele