„Roter Himmel“: Wenn der Wald an der Ostsee brennt, was wird da aus der Liebe?
Der Regisseur Christian Petzold ist regelmäßig im Berlinale-Wettbewerb vertreten. Sein Film „Roter Himmel“ empfiehlt sich als Kandidat für den Goldenen Bären.

Für Leon läuft alles schief bei diesem Aufenthalt an der Ostsee. Erst bleibt das Auto liegen, mit dem er mit seinem Freund Felix zu dem Haus am Strand fahren will. Dann gibt es da bereits eine unerwartete Bewohnerin, sodass er sich mit Felix das Zimmer teilen muss. Und dann fummelt er lustlos an seinem Roman-Manuskript herum, verweigert sich dem Meer wie dem Gespräch mit Nadja, der Mitbewohnerin, die er nur beim Räumen in der Küche oder als Eisverkäuferin im Ort erlebt. Nun ja, er hört sie auch durch die Wand beim Sex, was ihn am Schlafen hindert.
Für Leon (Thomas Schubert) läuft alles schief, und man fragt sich eine Weile, warum Christian Petzold ihm in seinem Film „Roter Himmel“ so viel Raum gibt. Felix (Langston Uibel) mit seinem Tatendrang, Nadja (Paula Beer) mit ihrer unkomplizierten Freundlichkeit, auch ihr nächtlicher Gast, der Rettungsschwimmer Devid (Eno Trebs) sind wie wir Zuschauer Zeugen seiner Muffelei. Es wird sich herausstellen, dass eigentlich Leon der Beobachter ist. Petzold als Drehbuchautor und Regisseur hat ihm, dem Schriftsteller, die Aufgabe des Erzählens zugedacht.
Zweiter Teil einer Trilogie mit „Undine“
Der Film, war vorher zu hören, folgt in einer Trilogie als zweiter Teil auf „Undine“, in dem Paula Beer auch die weibliche Hauptrolle spielt. Es liegt nahe, die Verbindung zwischen beiden im Wasser zu sehen – hier die Ostsee, dort die Flüsse. Grundsätzlicher könnte Petzold den Bezug über die Elemente wählen, denn ein „Roter Himmel“ leuchtet gefährlich über den Figuren, weil eine Serie von Waldbränden immer näher kommt. Hubschrauber kreisen, Wildschweine fliehen durch den Wald. Die Nachrichten aus den vergangenen Jahren lassen die Bilder realistisch wirken; heiße, trockene Sommer haben ihre Unschuld verloren.
Überhaupt sind die Bilder mit Sorgfalt gewählt: Die vier jungen Leute von Mitte/Ende zwanzig befinden sich bei dem einzeln stehenden Haus wie auf einer Insel. Eine Idylle ist es dennoch nicht, das Dach hat einen Schaden, der auf die anhaltende Trockenheit zurückzuführen ist. Im Garten gibt es eine Ecke, die Laube genannt wird, dorthin zieht Leon sich mit seinem Manuskript zurück, der Abstand zu den anderen ist deutlich. Auch zusammen mit dem Verleger (Matthias Brandt), der zu Besuch kommt, will er dort sitzen, doch der nimmt Kontakt zu den anderen auf. Der Besucher aus der Welt von Leons viel beschworener „Arbeit“, die er nutzte, um sich abzugrenzen, um sich als besonders herauszukehren, ausgerechnet dieser Besucher reißt die Grenzen ein. Er setzt Gespräche in Gang, für die Leon zu scheu oder zu arrogant war.
Man könnte meinen, dass diese Konflikte den Film verdüsterten, doch im Gegenteil: Petzold beweist sich hier zeitweise als ungewöhnlich heiterer Erzähler. Die Missverständnisse zwischen den vieren am Haus enthalten komische Züge. Es gibt auch einen kleinen Spaß, der sich auf die lokale Verehrung für den Schriftsteller Uwe Johnson bezieht, der sich ja als Mecklenburger verstand.
Das Verhängnis der Liebe
Mit dem Eintreffen des Verlegers, eine Generation älter als die vier, kommt eine neue Ebene hinzu. So wie er und Nadja vor den anderen miteinander sprechen, deutet sich die eigentliche Antwort auf die Verbindung zu „Undine“ an. Im Wechsel zitieren sie das Gedicht „Der Asra“ von Heinrich Heine, das von einer schicksalhaften Begegnung zwischen einem Sklaven und einer Sultanstochter erzählt. Es endet: „Und mein Stamm sind jene Asra,/ Welche sterben, wenn sie lieben.“ Das Verhängnis einer Liebe, die zum Tod führen kann, ist dem Mythos der Undine eingeschrieben, es findet sich mindestens zweifach in „Roter Himmel“ wieder.
Christian Petzold führt die Beziehungen zwischen den Figuren zu einer magischen Intensität, seine Schauspieler tragen diese Gedankentiefe auf grandiose Weise. Liebe und Schmerz zeigen sich tragisch verbunden, aber der Film weist sogar daraus noch einen Weg. Und deshalb macht es so traurig und so glücklich, ihn zu sehen.
Roter Himmel. Wettbewerb. 23.2., 9 Uhr Verti Music Hall, 18.30 Uhr HdBF, 24.2., 18 Uhr Zeiss-Planetarium, 26.2., 10 Uhr Berlinale-Palast