Rithy Panhs „Everything Will Be Ok“: Im Schraubstock der Bilder

Der französisch-kambodschanische Filmemacher Rithy Panh lässt Tiere das grauenhafte Filmarchiv der Menschheit sichten.

Eine Szene aus Rithy Panhs Film „Everything Will Be Ok“, der im Berlinale-Wettbewerb läuft.
Eine Szene aus Rithy Panhs Film „Everything Will Be Ok“, der im Berlinale-Wettbewerb läuft.CDP/Anupheap Production/Berlinale

Der in Kambodscha geborene Regisseur Rithy Panh entstammt einer Familie, die 1975 von den Roten Khmer aus Phnom Penh deportiert wurde. Er war damals erst elf Jahre alt und überlebte als Einziger. Als es ihm gelang, aus einem thailändischen Flüchtlingslager nach Frankreich zu entkommen, studierte er dort an der Filmhochschule in Paris. Mit seinen Filmen verarbeitet er sein Trauma wieder und wieder.

Das gilt auch für „Everything Will Be Ok“, dessen Titel man als trügerisch empfinden könnte, doch Rithy Panh zitiert hier den Aufdruck auf dem T-Shirt eines jungen Mannes in Myanmar, der bei Protesten gegen den Militärputsch im Frühjahr 2021 erschossen wurde.

Grunzen, Bellen, Affengeschrei im Hintergrund

Wie in seinem Meisterwerk „The Missing Picture“ arbeitet er auch diesmal mit Tonfiguren. Es sind Figuren von Menschen, Affen und Schweinen, Tierlaute bilden den beunruhigenden Soundtrack des Films. Grunzen, Gebell, Geheul, Affengeschrei. Tiere haben die Macht übernommen, aber auch sie können nicht anders, als ein totalitäres System zu errichten. Der rot-weiß geflieste Boden in ihrer Kommandozentrale ist der gleiche wie in dem Foltergefängnis Toul Sleng, das die Roten Khmer in einer Schule in Phnom Penh eingerichtet haben. „Die Geschichte kennt weder Grammatik noch Lektionen“, lautet der französisch eingesprochene Text, der von dem Schriftsteller Christoph Bataille stammt.

Rithy Panh wechselt in seinem Filmessay Dioramen mit den Tonfiguren mit dokumentarischem Material ab, es sind die Schreckensbilder des 20. Jahrhunderts. Bilder aus den Weltkriegen, Hitler, Stalin, Mao, Aufnahmen aus den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten, der Atompilz über Hiroshima. Und immer wieder Kambodscha: die gespenstische Leere der Hauptstadt nach der Evakuierung, Zwangsarbeiter auf den Reisfeldern.

Die Leinwand teilt sich auf

Der Regisseur erweitert die grausige Bilderflut, die er aus den Archiven geholt hat, mit Aufnahmen aus Schlachthäusern. Eine sechsgeteilte Leinwand vervielfacht die Bilder in einer Geschwindigkeit, dass man sie kaum wahrnehmen noch unterscheiden kann. Man möchte immer wieder die Augen verschließen. „Ich werde im Schraubstock der Bilder bleiben“, heißt es im Text. „Niemand darf einen unschuldigen Blick werfen.“

Everything Will Be Ok 13., 14., 16. und 20. Februar, www.berlinale.de