Boris Becker auf der Berlinale: „Wenn ich nicht gewinne, versuchen besonders Deutsche, mich zu kreuzigen.“

Bis vor zwei Monaten war er im Gefängnis, nun läuft ein Film über Boris Becker auf der Berlinale. Die Fragen auf der Pressekonferenz waren nicht nur freundlich. 

Boris Becker, ehemaliger Tennisprofi und Protagonist, steht beim Fototermin zum Film „Boom! Boom! The World vs. Boris Becker“ im Rahmen der Berlinale vor der Fotowand.
Boris Becker, ehemaliger Tennisprofi und Protagonist, steht beim Fototermin zum Film „Boom! Boom! The World vs. Boris Becker“ im Rahmen der Berlinale vor der Fotowand.Soeren Stache/dpa

Kurz vor dem Ende der Pressekonferenz zum Film „Boom! Boom! The World vs. Boris Becker“ stellt ein schwedischer Journalist eine Frage, die eigentlich eine Frechheit ist: Ob Becker noch einmal kurz erzählen könne, was ihn genau ins Gefängnis gebracht habe. Das sei im Film nicht sonderlich gut erklärt worden. Auf dem Podium ist Regisseur Alex Gibney stumm empört, und die Gastgeberin löst die Situation, indem sie sagt, dass man diese Frage wohl besser in einem Einzelinterview beantworten könne. 

Dass diese Frage überhaupt möglich war, zeigt, dass die Dokumentation über das Leben von Deutschlands größtem Tennisstar empfindliche Leerstellen hat. Die Skandale seines Lebens, die außerehelichen Abenteuer auf Titelseiten und auch die Finanzskandale – sie werden bestenfalls touchiert. In erster Linie handelt der Film vom Aufstieg eines Sportlers.  

Für „Boom! Boom! The World vs. Boris Becker“ hat Regisseur Gibney Becker zweimal interviewt. Einmal kurz vor der Pandemie im Jahr 2019 und dann im Jahr 2022, zwei Tage vor dessen Verurteilung. Becker war Ende April 2022 in London zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er seinen Insolvenzverwaltern Vermögenswerte in Millionenhöhe verschwiegen hatte. Mitte Dezember war er nach 231 Tagen hinter Gittern freigekommen, Grund war eine Sonderregelung für ausländische Häftlinge. Der Film beginnt mit einer Szene aus diesem Interview, in der er auch weint. 

Becker sagt, er habe zu dem Zeitpunkt nicht gewusst, wie der Rest seines Leben aussehen würde. „Aber ich bin froh, dass ich nach acht Monaten heil herauskommen konnte, und dankbar, dass ich im Kreis der Familie mein neues Leben aufbauen darf.“ Gerade in Deutschland werde das oft nicht zugelassen, sagt er, „weil die Menschen nicht sehen wollen, dass sich ein Mensch ändern kann“. Er aber habe sich geändert, sei inzwischen bescheidener. „Bei mir sind Dinge schiefgelaufen und ich habe einen Preis dafür gezahlt.“

Es ist klar eine Pressekonferenz für einen Superstar. Viele Fragen gehen an den Tennisprofi, die meisten loben den Film und fragen höflich „was ihm das Tennis gegeben habe“ oder was „sein Lieblingsfilm“ sei. Becker antwortet auch auf solche Fragen sehr vage („Ich mag Filme mit Sean Penn“), ist offensichtlich geschmeichelt, als Star auf der Berlinale zu sein, mit einem Film, der von einem Oscarpreisträger gemacht wurde. Er selbst sagt, dass Filme für ihn immer wichtig waren, zu einem guten Abend gehört für ihn auch ein guter Film. 

Becker sagt auch, dass die vergangenen fünf Jahre anstrengende Jahre waren. Das klingt, als habe er mit im Schneideraum gesessen und entschieden oder die Interviews mit den Weggefährten wie John McEnroe oder Björn Borg selbst geführt. Aber wahrscheinlich meint Becker, dass er in den fünf Jahren viel erlebt hat, häufig in den Schlagzeilen war mit seinen Finanzproblemen. Das Gefängnis, aus dem er vor zwei Monaten entlassen wurde, kommt im Film gar nicht vor. 

„Das Leben hat Hochs und Tiefs“, sagt Boris Becker, „und meine Tenniskarriere hat mich darauf sehr gut vorbereitet.“ Sogar für das Gefängnis konnte er durch das Tennis etwas lernen. „Du hast einen Plan für den Tag und merkst aber, dass es nicht so klappen wird.“ Was heute sei, sage nichts über das Morgen aus. „Du weißt nie, was hinter der nächsten Ecke lauert.“

Becker wird auch auf seine Tablettensucht während seiner Profizeit angesprochen. „Das Leben als eine gewinnende Tennismaschine ist viel härter, als es aussieht“, sagt Becker. Man müsse immer funktionieren. Es sei unmöglich, als Tennisprofi ein normales Leben zu führen. „Jeder Spieler hat einen Weg, damit umzugehen, mit diesen Erwartungen. Wenn ich nicht gewinne, versuchen besonders Deutsche, mich zu kreuzigen.“

Die meisten Fragen beantwortet er auf Englisch, das passt, weil er auch im Film an einer Stelle sagt, dass er sich in den USA wohlfühle, weil er dort eben nicht überall die Tennislegende sei. Doch zwei Fragen auf der Pressekonferenz werden ihm auf Deutsch gestellt, und er antwortet dann auch auf Deutsch: Die erste ist freundlich und erkundigt sich nur danach, wie es ihm geht. Die zweite ist ein bisschen gemein und wirft ihm vor, wieder ein Luxusleben zu führen, obwohl er doch gerade aus dem Gefängnis komme.

Seine Antworten auf beide Fragen sind ähnlich: „Es fühlt sich gut an, in Freiheit zu sein, und wir sollten uns alle bemühen, bessere Menschen zu sein.“ Auf die zweite Frage sagt er nur: „Ich habe seit 37 Jahren Kritiker, Menschen, denen meine Nase nicht gefällt oder mein Frauengeschmack. Ich habe es nie allen recht machen können.“ Er spreche lieber über Tennis, denn er sei „aus tiefstem Herzen“ eben ein Tennisspieler.