Meisterwerk oder woke Anbiederung? Warum „The Last of Us“ die Trolle geweckt hat

In der neuesten Folge nimmt ein Prepper nach der Zombie-Apokalypse einen Mann bei sich auf und verliebt sich. Besonders eine Zielgruppe stört sich daran.

Nick Offerman als schwuler Prepper in „The Last of Us“
Nick Offerman als schwuler Prepper in „The Last of Us“HBO

Seit dem Ende von „Game of Thrones“ gab es keine Episode einer Serie mehr, die online ein derartiges kollektives Mitteilungsbedürfnis ausgelöst hat. Je nachdem in welcher Bubble man sich bewegt, fielen die Reaktionen auf den dritten Teil der HBO-Serie „The Last of Us“ sehr unterschiedlich aus. „Die beste Folge einer Serie, die je gedreht wurde“ war öfter zu lesen, die Schauspieler Murray Bartlett und Nick Offerman, der bislang vor allem für komödiantische Rollen bekannt ist, wurden mit Lob überhäuft.

Offerman spielt in der Episode mit dem Titel „Liebe mich, wie ich es will“ („Long Long Time“) einen Prepper, der sich nach dem Ausbruch einer Pilzepidemie, die den Großteil der Menschheit zu zombieartigen Kreaturen mutieren lässt, in einer komfortablen Selbstversorger-Festung einrichtet. Eines Tages geht ihm vor seinem Hochsicherheitszaun ein verzweifelter Mann in die Falle – und nach langem Flehen lässt sich der Eremit erweichen, ihm eine Mahlzeit und eine warme Dusche zu gewähren. Im spielfilmlangen Verlauf von 75 Minuten entfaltet sich zwischen den beiden eine zarte Liebesgeschichte, die auf hochemotionale Weise vermittelt, was in dieser Welt auf dem Spiel steht. Wofür es sich zu kämpfen lohnt, wie sich die Bedeutung von persönlichen Verlusten wandelt in einer Gesellschaft, die mit jedem Tag buchstäblich an Menschlichkeit verliert. „Liebe mich, wie ich es will“ stellt eine Zäsur in der Serie dar, denn eigentlich geht es in „The Last of Us“ um einen Mann und ein Mädchen, die sich durch das pilzverseuchte postapokalyptische Neuengland schlagen müssen.

30 Prozent der Bewertungen sind negativ

Sowohl bei den Kritikern als auch den Zuschauern wurde die Serie nach den ersten beiden Episoden überschwänglich aufgenommen. Die Bewertungen der dritten Folge bilden mit ihrem Durchschnitt von 7,9 von 10 Punkten nicht unbedingt einen Ausreißer nach unten, bei genauerem Hinsehen offenbart sich aber der Versuch des sogenannten Review Bombings, eine Praxis, die in der Vergangenheit zum Beispiel bei der „Der Herr der Ringe“-Serie „Die Ringe der Macht“ oder den Marvel-Adaptionen „Black Panther“ und „She-Hulk“ massiv zum Tragen kam. Bei dem Phänomen formiert sich online eine Gruppe von selbsternannten Fans, die sich häufig aus misogynen, rassistischen oder, wie in diesem Fall, homophoben Motiven an Erzählungen reiben, die ihren eigenen Vorstellungen von einem adaptierten Stoff zuwiderlaufen: schwarze Elben, ehemals blonde Zauberinnen mit nun dunklem Teint etc.

In der Gaming-Welt ist diese Praxis des massenhaften Abgebens von schlechten Bewertungen schon lange ein Problem für die Entwickler. Im Fall von „The Last of Us“ gibt es bei den Zielgruppen Überschneidungen – die Serie basiert auf einem extrem erfolgreichen Videospiel. Fast 30 Prozent der insgesamt über 100.000 Bewertungen bei IMDb wurden für den schlechtmöglichsten Wert abgegeben, in der Vorgängerfolge waren es lediglich 1,3. Ein genauerer Blick in die demografische Statistik der Filmplattform zeigt: Fast alle schlechten Bewertungen wurden von Männern abgegeben, von denen viele auf Reddit und Twitter ihrem Unmut über die schwulen Liebesszenen freien Lauf lassen.

Es ist ein weiterer Fall, an dem sich die nach wie vor grassierende toxische Männlichkeit im Netz anschaulich zeigt. Dem Erfolg der Serie tut diese allerdings keinen Abbruch: HBO hat „The Last of Us“ in der vergangenen Woche bereits um eine weitere Staffel verlängert.

The Last of Us läuft in Deutschland aktuell auf Sky und WOW