Neue Diversitätskriterien: Nur so können Filme ab jetzt einen Oscar gewinnen

Ab sofort müssen Produzenten nicht nur Filme einreichen, sondern auch Rechenschaft über diverse Interna abliefern. Das kann mitunter sehr privat werden.

Die in Malaysia geborene Michelle Yeoh gewann als erste Asiatin den Oscar in der Kategorie „Beste Schauspielerin“.
Die in Malaysia geborene Michelle Yeoh gewann als erste Asiatin den Oscar in der Kategorie „Beste Schauspielerin“.AFP

In Deutschland mag es im Freudentaumel über die vier Oscars für „Im Westen nichts Neues“ untergangenen sein, doch auch in diesem Jahr stand die wichtigste Filmpreisverleihung der Welt wieder für ihren Mangel an Diversität in der Kritik. Mit Sarah Polleys „Die Aussprache“ wurde nur einer der zehn nominierten Kandidaten für den Hauptpreis „Bester Film“ von einer Frau inszeniert. Zwar gewann die in Malaysia geborene Michelle Yeoh als erste Asiatin den Preis als beste Schauspielerin, doch die Tatsache, dass mit Angela Bassett und Brian Tyree Henry insgesamt nur zwei afroamerikanische Schauspieler nominiert waren, fiel auf.

Um „die diverse globale Bevölkerung sowohl in der Filmproduktion als auch den angesprochenen Zuschauern zu reflektieren“, so formuliert es die Academy, hat man dort neue Richtlinien erarbeitet, die 2024 erstmals in Kraft treten werden.

Sollte man Mitarbeiter nach ihrer sexuellen Orientierung fragen?

Wer im nächsten Jahr seinen Film ins Rennen um den Hauptreis schicken will, muss ein vertrauliches Formular mit einreichen und dadurch nachweisen, dass mindestens zwei von vier Kriterien erfüllt sind. In die Auswahl dürfte es demnach zum Beispiel ein Film schaffen, in dem ein Schauspieler aus einer „unterrepräsentierten Gruppe“, also zum Beispiel ein Asiate, Afroamerikaner oder Hawaiianer, in einer signifikanten Rolle besetzt ist und zudem 30 Prozent der Crew einer ebenfalls unterrepräsentierten Gruppe angehören, zu der diesmal allerdings auch Frauen, die LGBTQ-Community und Menschen mit Behinderung gezählt werden. Oder ein Film, dessen Handlung sich um Frauen dreht und bei dessen Produktion ein bezahltes Praktikum an jemanden aus der zuletzt genannten unterrepräsentierten Gruppe vergeben wurde.

„Wir glauben, dass diese Inklusions-Standards ein Katalysator für einen langfristigen essenziellen Wandel in unserer Industrie sein werden“, so der damalige Präsident der Academy, David Rubin.

Nach Berichten amerikanischer Branchenmedien offenbaren sich in der Umsetzung des hehren Unterfangens allerdings Probleme. Denn woher sollen die Produzenten eigentlich wissen, welche Kriterien ihre Mitarbeiter erfüllen? Sie nach ihrer sexuellen Orientierung zu fragen ist illegal und auch medizinische Diagnosen wie Autismus behalten viele Menschen lieber für sich, sofern diese sie bei ihrer Arbeit nicht einschränken. Und wie will die Academy prüfen, ob die Angaben überhaupt der Wahrheit entsprechen? Wenn sich etwas falsch anfühle, werde man nachforschen, heißt es.

Hier zeigt sich erneut das Dilemma, mit dem progressive Kräfte bei Diversitätsbemühungen immer wieder zu kämpfen haben: Wer Menschen, die gewissen Diversitätskriterien entsprechen, fördern möchte, läuft immer auch Gefahr, sie darauf zu beschränken. Oder, wie in diesem Fall, ihre Persönlichkeitsrechte zu verletzen, oder zumindest dahingehend unter Druck zu setzen.

Diese Kriterien müssen erfüllt werden

Die folgenden Kriterien wurden im Rahmen der Initiative „Academy Aparture 25“ definiert. In allen Details können diese auf der Homepage der Academy of Motion Picture Arts and Sciences nachgelesen werden. Um den Film für eine Einreichung zu qualifizieren, müssen mindestens zwei der vier Kategorien erfüllt sein. 

Kategorie A: Auf der Leinwand (Der Film muss eins der folgenden Kriterien erfüllen)
  •  Mindestens eine der Hauptrollen, oder eine signifikante Nebenrolle ist aus einer unterrepräsentierten ethnischen Gruppe besetzt.
  • Mindestens 30 Prozent aller Nebenrollen sind aus einer unterrepräsentierten Gruppe besetzt (dazu gehören auch Frauen, die LGBTQ-Community und Menschen mit Behinderung).
  • Die Haupthandlung oder das Thema dreht sich um eine unterrepräsentierte Gruppe.
Kategorie B: Crew (Der Film muss eins der folgenden Kriterien erfüllen)
  • Mindestens zwei kreative Führungspositionen müssen von Menschen aus unterrepräsentierten Gruppen besetzt sein, mindestens eine davon aus einer unterrepräsentierten, ethnischen Gruppe.
  • Mindestens 30 Prozent der Crew gehört zu einer unterrepräsentierten Gruppe.
Kategorie C: Zugänglichkeit (Der Film muss beide der folgenden Kriterien erfüllen)
  • Der Verleiher oder Investor muss bezahlte Praktika oder Ausbildungsplätze für Menschen aus unterrepräsentierten Gruppen anbieten.
  • Der Verleiher, Investor und/oder die Produktionsfirma bietet berufliche Förderprogramme für Menschen aus unterrepräsentierten Gruppen an.
Kategorie D: Publikumsentwicklung
  • Mehrere Personen aus unterrepräsentierten Gruppen müssen in leitenden Positionen in den Bereichen Marketing, PR oder Verleih für den Film verantwortlich sein.