PornHub: Investigative Recherche deckt Schattenseiten der weltgrößten Pornoseite auf
Mehr Klicks als Amazon: PornHub ist eine der größten Webseiten der Welt. Und hat die Kontrolle über ihre Inhalte verloren, wie eine neue Netflix-Doku nahelegt.

Können Sie sich noch an den ersten Pornofilm erinnern, den Sie je gesehen haben? Einige der Protagonistinnen und Protagonisten der neuen Netflix-Doku „Money Shot: The Pornhub Story“ können das. Es sind recht lustige Anekdoten, die sie zu Beginn des rund eineinhalbstündigen investigativen Dokumentarfilms erzählen.
Auch Noelle Perdue, eine ehemalige Mitarbeiterin des international agierenden Unternehmens Mindgeek, dem PornHub, die weltgrößte Streamingseite für Sexvideos, gehört, erzählt in bestechender Leichtigkeit von ihrem ersten Erlebnis mit Pornografie. Einen bitteren Beigeschmack wird ihre Geschichte trotzdem hinterlassen.
Sie sei 11 Jahre alt gewesen, als sie ihr erstes Pornovideo ansah – auf PornHub, jener Webseite, für die sie später in einem Bürojob arbeiten würde. „Es war ein geriatrischer Gangbang, in den acht Personen verwickelt waren“, sagt Perdue und lacht. „Von da an war mir klar, wie extrem die Dinge sein können, mit denen uns das Internet konfrontiert.“ Dass die Pornowebseite den größeren Teil ihrer Angebote Nutzerinnen und Nutzern auch ohne verlässliche Alterskontrolle frei zur Verfügung stellt – es ist nur eine der fragwürdigen Methoden eines international erfolgreichen Unternehmens, die der Netflix-Film streift.
Die Vorwürfe, die darin aufgeworfen werden, reichen von der Ausbeutung von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern über eine mangelhafte Moderation der expliziten Inhalte bis zur Langwierigkeit von Löschungsprozessen, wenn Videos auf der Seite landen, die gegen den Willen der Protagonistinnen und Protagonisten veröffentlicht wurden, Minderjährige zeigen, sexuelle Gewalt abbilden. Und manchmal, leider, verliert sich die Doku in der Fülle dieser schockierenden Details.

PornHub – das ist eine Webseite, bei der zum einen Privatpersonen frei verfügbare Videos hochladen und zum anderen professionelle Darstellerinnen und Darsteller kostenpflichtige Inhalte veröffentlichen können. Eine Seite, die monatlich mehr Klicks verzeichnet als Yahoo, Amazon oder Netflix. Damit ist PornHub unter den zehn größten Webseiten der Welt angesiedelt; die Marke mit dem orangefarbenen Logo ist zum popkulturellen Phänomen geworden, lässt riesige Werbeanzeigen am Times Square aufbauen und kooperiert mit Prominenten wie Kanye West.
Moderatoren sollten 700 Videos am Tag auf deren Inhalte kontrollieren
Die Netflix-Produktion will nun aufdecken, auf wessen Kosten dieser unfassbare Erfolg geht. Zu Wort kommt unter anderem eine junge Frau, die mit 14 Jahren ihre eigene, filmisch festgehaltene Vergewaltigung auf PornHub wiederfinden musste. Sie habe das Video gemeldet, erzählt sie, die Löschung erfolgte erst nach vier Wochen. „Eine Woche später wurde das Video aber von einem anderen User wieder hochgeladen. Egal wie oft ich es habe löschen lassen, es war kurz darauf wieder online.“
Die Pornowebseite, die lange Zeit eben nicht alle aktiven Nutzerinnen und Nutzer verifizierte, die Videos bereitstellen, hat offenbar nur bedingt die Kontrolle über ihr eigenes Angebot. Das legt auch ein anonymer Protagonist nahe, der zwei Jahre als Moderator für PornHub und den Mutterkonzern Mindgeek mit Hauptsitz in Kanada tätig war. „Wir mussten mindestens 700 Filme an einem achtstündigen Arbeitstag ansehen“, erzählt der Mann.

Man habe sich dementsprechend möglichst schnell durch die Videos gespult – ob es sich in den abgebildeten Szenen wirklich um einvernehmlichen Sex gehandelt habe und alle abgebildeten Personen volljährig gewesen seien? „Basically we could just guess“ – „im Grunde konnten wir das nur schätzen“, sagt der Mann, der als einer von 30 Angestellten in Zypern für das internationale Unternehmen tätig war; jenem Land, in dem das größte Moderatorenteam von PornHub sitzt. Zum Vergleich: Das soziale Netzwerk Facebook, über das vergleichbar viele Inhalte publiziert werden, verfügt über einen Stab von 150.000 Moderatorinnen und Moderatoren.
Interessant wird die Doku gerade da, wo sie auch die Perspektiven aus der Pornobranche einbringt. „Nicht einvernehmliche Pornografie gibt es nicht“, stellt die Darstellerin Siri Dahl heraus. „Wenn es nicht einvernehmlich ist, dann ist es keine Pornografie, dann ist es kein Sex, dann ist es Vergewaltigung.“ Zu oft würde in der Kritik über pornografische Inhalte und deren Produzentinnen und Produzenten beides miteinander vermischt, Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter auf vielfache Weise diskriminiert.
Und – auch das zeigt der Netflix-Film – häufig kommt die lautstarke Kritik von schrulligen fundamental-religiösen Gruppen, die sich auch gegen das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch oder gleichgeschlechtliche Ehen aussprechen und neben PornHub genauso die Inhalte weit weniger verfänglicher Medienformate wie HBO, Cosmopolitan und eben Netflix als „Hardcore-Pornografie“ verbieten lassen wollen.
Es sind wahnsinnig interessante, wichtige – aber für eine eineinhalbstündige Doku einfach zu viele Facetten, an denen sich der Film abarbeitet. Wirklich einlassen können sich die Zuseherinnen und Zuseher auf die einzelnen Aspekte kaum. „Money Shot: The Pornhub Story“ hätte eine investigative Miniserie werden müssen. Dann wäre die Dokumentation brillant geworden.
Money Shot: The Pornhub Story. Dokumentarfilm, 2023, 94 Minuten, Netflix