Serie „Damaged Goods“ mit Sophie Passmann: Im Reich der Millennials

Auf den Spuren von „Sex and the City“ und „Friends“ erzählt die Amazon-Serie von den Träumen und Nöten der urbanen Millennials. Das kann anstrengend werden.

Nola (Sophie Passmann) bei einer spontanen Therapie-Sitzung in der Badewanne.
Nola (Sophie Passmann) bei einer spontanen Therapie-Sitzung in der Badewanne.Prime Video/Marc Reimann

Fachliche Qualifikation ist in der modernen Medienlandschaft bekanntlich keine zwingende Voraussetzung für Anerkennung und Reichweite. Das hat in vielerlei Hinsicht Vor- und Nachteile, auch für die Heldin von „Damaged Goods“. Einerseits ist es ein Glück für die unfreiwillig exmatrikulierte Psychologiestudentin, dass es nicht mehr als ein YouTube-Tutorial braucht, um ihren Podcast ins Leben zu rufen, in dem sie fortan unter dem Pseudonym „Küchenpsychologin“ über ihr eigenes und das Leben ihrer Freunde sinniert. Andererseits steht nun plötzlich ein großes Geheimnis zwischen Nola und diesen Freunden, die vor vielen Jahren eine Ersatzfamilie für sie geworden sind, auf die unerlaubte Ausbreitung ihres Privatlebens aber wahrscheinlich wenig begeistert reagieren würden.

Die Clique ist ein zusammengewürfelter Haufen junger Erwachsener, die sich als Teenager in der Gruppentherapie kennengelernt haben. Mads, den schönen Aufreißer (Tim Oliver Schultz), Hennie, die perfektionistische beste Freundin (Leonie Brill) und Tia, die exzentrische Künstlerin (Zeynep Bozbay) hat man so oder so ähnlich schon oft gesehen. Der Stewart Hugo (Antonije Stankovic), der als schwuler Mann unter ständiger sexueller Objektifizierung leidet, ist da schon interessanter; die einzig wirklich komplexe Figur bleibt aber zunächst Nola.

Sophie Passmann spielt das emotionale Gepäck ihrer Figur stets subtil mit, ohne dabei je in das Klischee der vermeintlich weinerlichen Millennials abzudriften. Überhaupt ist der Spagat, die Generation der in den frühen 1980er- bis späten 90er-Jahren Geborenen mit ihren Ängsten, Träumen und besonderen Herausforderungen einerseits humoristisch in bewährten dramaturgischen Strukturen zu zeigen, sie letztlich damit aber ernst zu nehmen, das große Kunststück dieser Serie.

Die Orientierung an amerikanischen Vorbildern ist allgegenwärtig: von den berühmten roten Pappbechern, aus denen bei Privatpartys Alkohol getrunken wird, über viel zu große Wohnungen im teuren München bis hin zu ganzen Storylines, etwa wenn alle Freunde nacheinander Mads’ versehrten Penis begutachten und anschließend die vergangenen Liebschaften abtelefoniert werden, die sich nun auf Chlamydien testen lassen müssen.

Wer bin ich, wenn ich keine Karriere habe?

Mit den O-Tönen des Podcasts verbindet und kommentiert „die Küchenpsychologin“ die Handlung, wie schon vor zwanzig Jahren Carrie Bradshaw in „Sex and the City“, die die Eskapaden ihrer New Yorker Clique allerdings noch in eine gedruckte Magazin-Kolumne einfließen ließ. Im Remake „And Just Like That...“ aus dem vergangenen Jahr hat Carrie übrigens ebenfalls auf einen Podcast umgesattelt. Auch die großen Themen sind ähnlich wie in „SatC“, „Friends“, „How I Met Your Mother“ und anderen Geschichten, die von Menschen um die Dreißig erzählen. Es ist ein Alter, das bis heute generationenübergreifend als Zeit wahrgenommen wird, in der Entscheidungen drängen – in Bezug auf die Karriere, den Wohnort, die Familienplanung, oder verkürzt, die eigene Identität. Manches hat sich bis heute entspannt, anderes verschärft.

„Das Schwierige in unserem Leben ist, dass man sich traut, einen Lebenstraum zu haben und es dann schafft, nicht durchzudrehen, wenn er nicht in Erfüllung geht. Dass ich keine Karriere mehr hab, ist der einfache Teil. Der schwierige Teil ist, dass es offensichtlich völlig normal ist, dass man keine Ahnung mehr hat, wer man ist, wenn man keine Karriere mehr hat“, sagt Lola am Ende der ersten Folge. Ihren Freunden am Tisch und wohl nicht wenigen Zuschauern ihrer Generation wird sie damit aus der Seele sprechen. Dass auf solche Momente ständig die auch textlich passende Musik folgt („You gotta keep on moving“) oder die Autoren es mit dem Millennial-Sprech etwas übertrieben haben, kann man der Serie vor allem aufgrund des durchweg talentierten Ensembles zwar verzeihen, es dürfte der Empathiebereitschaft des Publikums aber durchaus entgegenwirken. „Schau uns an, wir sind fucking boss bitches!“, „I don’t want to be the pain in your paintings“, sagen diese Figuren, sie fragen „Hast du gerade mein Gender assumed?“ und „War das gestern der tighteste Abend in a long time?“

Interessant wird es dann, wenn die Freunde ihre Komfortzone verlassen, zum Beispiel in Richtung Klassentreffen in Tutzing, oder wenn Nola ihr erstes Date mit einer Frau hat. Die ungefähr zehn Jahre ältere Psychoanalytikerin, gespielt von Jasmin Gerat, hat keinen Nerv für Star-Wars-Wortspiele oder Nolas Abwehrhaltung gegen Labels, hier trennen sich plötzlich Welten, die vorher noch auf der Basis gemeinsamer Interessen und erotischer Anziehung zueinander gefunden hatten. Mit der Tatsache, dass ihre Helden auch ein Produkt einer urbanen Blase sind, gehen die Autoren um den Absolventen der Hochschule für Fernsehen und Film München, Jonas Bock, offensiv um. In dem Spannungsverhältnis, das sich daraus mitunter ergibt, liegt ein großer Reiz der Serie. Das funktioniert am besten, wenn am Pathos gespart wird, etwa als Hugo seinem Mobber aus der Schule gegenübertreten soll: „Wenn ich schon meine past facen muss, dann wenigstens mit ’nem hotten boyfriend.“

Wertung: 4 von 5

Damaged Goods, Serie, 8 Folgen, ab 11. Juli bei Amazon Prime Video