Traum von der Ferne: ein filmischer Nachruf auf den DEFA-Routinier Roland Oehme
Aus naheliegenden Gründen entstanden in der DDR nur wenige Roadmovies. Anlässlich des Todes von Roland Oehme zeigt das Filmmuseum Potsdam eines der besten.

Unterhaltungsfilme haben es in der Geschichtsschreibung schwer. Diametral zu ihrer Wahrnehmung beim Publikum werden sie wissenschaftlich kaum gewürdigt. Das ändert sich gerade ein wenig. Beim zweiten Durchkämmen der Filmgeschichte zeigt sich nämlich, dass gerade in den Nischen überraschende Entdeckungen zu machen sind. Passend zu diesem Trend erschien kürzlich ein Standardwerk über Genre-Produktionen der Defa, begleitet von einem Symposium mit Vorführungen. Auf dem Podium saß auch ein geradezu jugendlich wirkender Roland Oehme, der mit Werken wie „Der Mann, der nach der Oma kam“ (1972) mit Winfried Glatzeder als maskulinem Kindermädchen oder der Rudi-Strahl-Verfilmung „Ein irrer Duft von frischem Heu“ (1977) veritable Publikumserfolge erzielen konnte. Einen Hit brachte er 1974 auch mit „Wie füttert man einen Esel?“ in die ostdeutschen Kinos. Diese kuriose und deshalb sehenswerte Fernfahrerkomödie wird jetzt als Nachruf auf den Regisseur im Filmmuseum Potsdam gezeigt. Denn Roland Oehme starb, dann doch überraschend, am 29. November nach kurzer Krankheit im Alter von 87 Jahren.
Vom Aufbruch in verlockende Weiten konnte in der DDR keine Rede sein
Die Ausgrabung lohnt, schon allein, weil es sich um eines der ganz wenigen DDR-Roadmovies handelt. Unterrepräsentiert war dieses Genre vor allem aus teilungsbedingten Gründen. Wohin hätte man denn schon reisen können in diesem kleinen Land? Vom ungebundenen Aufbruch in verlockende Weiten konnte keine Rede sein. Es gab immerhin den Korridor Richtung Südosten: über die Tschechoslowakei durch Ungarn und Rumänien bis Bulgarien – und dann wieder zurück. Genau diese Route schlägt Manfred Krug in seiner populärsten Chargenrolle als Lkw-Pilot dann auch ein. In Prag verliert er durch einen Betriebsunfall seinen Beifahrer, gewinnt aber die blonde Jana hinzu. Es ist klar, dass sie sich sofort in ihn verliebt. Das Problem: Auf der gesamten Strecke zwischen Elbsandsteingebirge und Schwarzem Meer warten bereits Liebhaberinnen.
Das Traumpaar ringt unentwegt miteinander, findet aber, wie sollte es auch anders sein, dann doch zusammen. Diese Geschichte wäre noch unerheblicher, als sie hier klingt, hätten die Autoren nicht zu einem bemerkenswerten Kunstgriff gefunden. In jedem der durchquerten Freundesländer gibt es Auftritte von Rockbands, mit denen die allzu lineare Story aufgelockert wird. Und diese „Formationen“ gehörten damals, zumindest teilweise, einer durchaus subversiv grundierten Szene an: die Renft-Combo aus Leipzig, „Shut Up“ aus Prag, „Illés“ aus Budapest oder „Transsylvania Phoenix“ aus Timișoara.
Gerade ein Blick auf die Musiker und Darsteller zeigt, dass Filme über Fernweh auf Dauer nicht ausreichen, um die Sehnsucht zu stillen. Die rumänische Band floh 1977 mit einem Lkw nach Jugoslawien, fast die gesamte Renft-Combo landete nach Auftrittsverbot und Gefängnis im Westteil Deutschlands. Auch Manfred Krug und seine Filmpartnerin Karla Chadimová standen später im Westen vor der Kamera. Hoffentlich hat wenigstens der titelgebende Esel noch ein bleibendes Zuhause finden können.
Wie füttert man einen Esel? Am 2. Februar um 19 Uhr im Filmmuseum Potsdam. Das Buch „Publikumspiraten: Das Genrekino der Defa und seine Regisseure“ ist in der Schriftenreihe der Defa-Stiftung erschienen.