Vorfreude auf die Berlinale: 24 Highlights aus dem Programm
Am Montag öffnen die digitalen Ticketschalter, das Angebot ist groß. Eine Liste zur Orientierung.

Nach einer provisorischen Sommerberlinale 2021 und einer Ausgabe mit begrenzten Besucherkapazitäten im vergangenen Jahr, soll nun endlich wieder alles werden wie vorher. Mit Partys, Stars und vor allem: großen Filmen in vollen Kinos. Doch rund um das Festivalzentrum am Potsdamer Platz sind die Publikumsplätze rar geworden, und auch der Friedrichstadtpalast kann in diesem Jahr nicht bespielt werden. Die Lücke soll die Verti Music Hall am Mercedes-Benz-Platz füllen, schon im vergangenen Jahr stieß der Titania-Palast in Steglitz zum illustren Kreis der Festivalstätten. „Wir kommen zu euch!“, rief die Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek den Berlinern im Interview mit dieser Zeitung zu.
287 Filme haben sie und ihr Kollege Carlo Chatrian in diesem Jahr im Angebot. Auf 24 davon wollen wir an dieser Stelle schon mal aufmerksam machen – ein ausführlicher Blick in das komplette Angebot ist freilich trotzdem dringend zu empfehlen. Ab 13. Februar können Tickets online, und zwar nur online, erworben werden, immer drei Tage vor der Vorführung ab 10 Uhr.
Wettbewerb
Suzume
21 Jahre nachdem Hayao Miyazakis Meisterwerk „Chihiros Reise ins Zauberland“ den Goldenen Bären gewann, ist endlich wieder ein Animefilm im Wettbewerb der Berlinale. In „Suzume“ erzählt der japanische Regisseur Makoto Shinkai von einem 17-jährigen Mädchen, das nichtsahnend ein ganz Japan heimsuchendes Unheil entfesselt. Um dem ein Ende zu bereiten, begibt sie sich zusammen mit einem Verbündeten auf eine Reise quer durchs Land, an deren Ende natürlich auch das eigene Erwachsenwerden steht.
BlackBerry
Es gab eine Zeit vor dem iPhone, in der Menschen, vor allem solche mit dem Flair des Geschäftigen, ihre Handys noch mit einer Tastatur bedienten. Was heute der Apfel ist, war in den Nullerjahren die Brombeere. Die Firma BlackBerry revolutionierte den Markt der Mobiltelefone, doch schon wenige Jahre nach dem raketenhaften Aufstieg folgte der Crash. Heute führen höchstens noch Nostalgiker ein Modell der Firma mit sich. Der kanadische Regisseur Matt Johnson zeichnet den turbulenten Weg seiner Landsmänner, der Firmengründer Mike Lazardis und Jim Balsillie nach.

Bis ans Ende der Nacht
2017 unterschrieb Christoph Hochhäusler eine Petition zur Reformierung der Berlinale, nun ist er erstmals im Wettbewerb dabei. „Bis ans Ende der Nacht“ ist ein Film Noir mit einer Trans-Femme-Fatale, die einen schwulen Ermittler ins Drogenmilieu einschleusen soll. Erneut stellt Hochhäusler die Frage nach Identitäten – wie sie entstehen, wie man sie vortäuscht und zu welchem Zweck. Wie man diese Themen auch in spannenden Autorenthrillern erzählen kann, hat der Regisseur schon in „Unter dir die Stadt“ und „Die Lügen der Sieger“ gezeigt.

Panorama
Inside
Fünf Gemälde von Egon Schiele will der Meisterdieb Nemo stehlen, aus einem Penthouse mit Panoramablick über die Skyline von New York. Doch diesmal hat der Gauner sich überschätzt. Das Sicherheitssystem schlägt Alarm und schließt ihn im Luxusgefängnis ein. Über Monate bleiben sein einziger Kontakt zur Außenwelt die Bildschirme der Überwachungskameras, die ihm sporadische Blicke auf den Pförtner und eine Putzfrau erlauben. Willem Dafoe spielt die Hauptrolle in diesem Debüt-Kammerspiel, das bereits verdrängte Erinnerungen an die Hochphase der Pandemie wiedererweckt.

Hello Darkness
Das Duo Soda Jerk, bestehend aus zwei Experimentalfilm-Macherinnen, widmet sich in „Hello Darkness“ zum wiederholten Male der Politik der Bilder. Die beiden Australierinnen montieren bekannte Filmszenen neu, verändern ihren Kontext und die Tonspur. Sie stellen Nachrichtenbilder aus den vergangenen Präsidentschaftswahlen neben Szenen aus „American Beauty“ oder „Wayne’s World“, schlagen einen Bogen von der Popkultur über technische Innovationen bis hin zu Verschwörungsmythen. Und erzählen so von den tiefgreifenden Veränderungen in der amerikanischen Gesellschaft seit der Wahl von Donald Trump.

Das Lehrerzimmer
Kaum ein Thema bietet in Berlin mehr Konfliktpotenzial als das Bildungssystem – da kommt dieser Film gerade recht. Leonie Benesch, der diesjährige Berlinale-Shootingstar, spielt in İlker Çataks Film eine engagierte Lehrerin, die an ihre Grenzen kommt, als sich in der Schule Diebstähle häufen. In ihrem Bemühen, einen Schüler zu entlasten, steht sie schon bald im Kreuzfeuer zwischen Eltern, Kollegen und Schülern.

Perspektive Deutsches Kino
Sieben Winter in Teheran
Unter einem Vorwand lockt 2007 im Iran ein älterer Mann die Studentin Reyhaneh Jabbari in eine Falle und versucht, sie zu vergewaltigen. Sie ersticht ihn in Notwehr und wird dafür trotzdem zum Tode verurteilt. Nach sieben Jahren im Gefängnis hängt man Reyhaneh, auch weil sie sich bis zum Ende weigert, ihre Anschuldigungen gegen den Toten zurückzuziehen. Die deutsche Regisseurin Steffi Niederzoll dokumentiert die Geschichte, unter anderem mit Bild- und Tonmaterial, das aus dem Iran geschmuggelt wurde.

Atomnomaden
Nicht wenige Menschen wünschen sich in Anbetracht des Klimawandels die Atomkraft zurück. Was diese Art der Energiegewinnung auch bedeutet, zeigt der Dokumentarfilm „Atomnomaden“. Darin begleiten die Münchener Regiestudenten Kilian Armando Friedrich und Tizian Stromp Zargari Arbeiter, die in Frankreich für Reinigungs- und Inspektionsjobs in Kernkraftwerken lukrative Prämien erhalten, dafür allerdings eine hohe Strahlenbelastung in Kauf nehmen. Manche von ihnen sind sehr jung, andere haben Familien im Schlepptau, die Kinder spielen vor der Meiler-Kulisse. Wie prekäre Einzelschicksale mit globalen politischen Fragen zusammenhängen, das zeigt der Film auf.

Vergiss Meyn nicht
Vor Lützerath war der Hambacher Forst. Als sich dort bis zur Rodung 2018 Klimaschützer der Polizei entgegenstellten, war der Filmstudent Steffen Meyn mittendrin, meistens hoch oben. Über einen Zeitraum von zwei Jahren dokumentierte er den Kampf um den Wald mit einer 360-Grad-Helmkamera – bis er bei einem Sturz zu Tode kam. Drei Weggefährten erinnern nun an ihren verstorbenen Freund, überwiegend mit dem von ihm selbst gedrehten Filmmaterial. Auch andere Aktivisten, die damals dabei waren, kommen zu Wort.

Berlinale Special
Sonne und Beton
Den Berliner Felix Lobrecht kennen die meisten Menschen wahrscheinlich von seinem hypererfolgreichen Podcast „Gemischtes Hack“, den er mit seinem Kollegen Tommi Schmidt jede Woche bei Spotify veröffentlicht. Nach dem Tod seiner Mutter wuchs der Stand-up-Comedian in Gropiusstadt auf – über seine Jugend schrieb er in dem Roman „Sonne und Beton“, den Regisseur David Wnendt („Kriegerin“, „Feuchtgebiete“) nun fürs Kino adaptiert hat. Vorführungen wird es unter anderem im UCI in Gropiusstadt und auch in der JVA Plötzensee geben.

Golda
Helen Mirren spielt Golda Meir: die erste Ministerpräsidentin von Israel mit einer Leidenschaft fürs Rauchen, die Helmut Schmidt Konkurrenz gemacht hätte. Aus ihrer Perspektive erleben die Zuschauer in „Golda“ den Jom-Kippur-Krieg von 1973, der mit einem Überraschungsangriff von Ägypten und Syrien am höchsten jüdischen Feiertag begann und in dessen Verlauf Meir entschied, 13 Atombomben gefechtsbereit zu machen. Helen Mirren, die in der Rolle nicht wiederzuerkennen ist, wird zur Premiere nach Berlin kommen.

Superpower
Anfang 2021 reisten Sean Penn und der Regisseur Aaron Kaufman („Machete“) in die Ukraine, um einen Film über Wolodymyr Selenskyj zu drehen – den Mann, der zuerst einen Präsidenten spielte, bevor er selbst einer wurde. Was dann geschah, das hätten die Filmemacher, wie auch der Rest der Welt, nicht für möglich gehalten. Als Putins Armee am 24. Februar die Ukraine angreift, dreht das Team gerade in Kiew. In der Nacht der Invasion führt Penn sein erstes Interview mit Selenskyj.

Encounters
Im toten Winkel
Der titelgebende tote Winkel dieses Films liegt in einem abgelegenen kurdischen Dorf im Nordosten der Türkei. In drei Episoden erzählt die in Hamburg aufgewachsene deutsch-kurdische Regisseurin Ayşe Polat von einem Ort und seinen Bewohnern, die mit den Geistern einer grausamen Geschichte kämpfen. Als eine trauernde Mutter, ein Kindermädchen und ein paranoider Vater aufeinandertreffen, reißen alte Wunden wieder auf. Ob und wie Generationentraumata überwunden werden können, danach fragt dieser Mystery-Thriller.

My Worst Enemy
Der in Frankreich lebende Filmemacher Mehran Tamadon dokumentiert einen fiktiven Rollentausch. Er bittet iranische Flüchtlinge, die in ihrer Heimat inhaftiert und verhört wurden, vor der Kamera Beamte zu spielen und als solche den Regisseur auszuhorchen. Die Exilschauspielerin Zar Amir Ebrahimi nimmt die Herausforderung an. Zwischen den beiden entsteht ein Austausch, der anrührt, aber der auch zeigt, wo das Bemühen um Verständnis an seine Grenzen stößt. Tamadon selbst wurde nach seinem regimekritischen Film „Iranian“, der 2014 im Forum lief, sein iranischer Pass entzogen.

The Adults
Von der schmerzhaften Erkenntnis, dass man mit den Menschen, die einem auf dem Weg zum Erwachsensein am nächsten standen, plötzlich nichts mehr gemeinsam hat, erzählt der amerikanische Regisseur Dustin Guy Defa. Michael Cera spielt Eric, der mit Mitte dreißig eine Zeitlang wieder zu Hause wohnt, um das Verhältnis zu seinen Schwestern und seine alte Pokerkarriere wiederzubeleben. Bald muss er einsehen, dass es kein Zurück in alte Komfortzonen gibt. Trost spendet immerhin die Tatsache, dass man mit dieser Enttäuschung meistens in guter Gesellschaft ist.

Generation
Autobio-Pamphlet
Wenn Ashish an seine Jugend denkt, dann als Bollywood-Film. Hier verlangsamt und beschleunigt sich die Zeit je nach Gefühl, und die Gefühle waren groß, damals in den Neunzigern, als Liebe und Freundschaft stärker sein mussten als Kaste und Religion. Die Debütkomödie des indischen Regisseurs Ashish Avinash Bende ist ein Plädoyer für Zusammenhalt über die Grenzen von Vorurteilen und toxischen Traditionen hinweg. „Autobio-Pamphlet“ läuft in der Sparte Generation 14plus.

Shen Hai
So eine Welt hat man noch nicht gesehen. Kurz nachdem seine Mutter die Familie verlassen hat, erwacht das Mädchen Shenxiu in einem kaleidoskopartigen Paralleluniversum. Tief im Ozean aus wirbelnden Farben hofft Shenxiu, die Mutter wiederzufinden. Bei der Odyssee steht ihr ein verschuldeter Unterwasserkoch zur Seite, der Zutaten für eine Suppe sucht. „Shen Hai“ ist ein Traum von einer Geschichte, eine Lektion für den Gang durch den Sturm. Es ist der zweite Film des chinesischen Regisseurs Tian Xiaopeng, der schon 2015 mit „Monkey King: Hero Is Back“ neue Maßstäbe in der chinesischen Animationslandschaft setzte.
Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war
Joachim Meyerhoff ließ sich lange bitten, doch schließlich gab er nach und verkaufte die Filmrechte zu seinem autobiografischen Roman „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“. Der Schauspieler, Regisseur und Schriftsteller wuchs als einer von drei Söhnen eines Kinder- und Jugendpsychiaters auf, der in Fachkreisen gefeiert wurde, die Nerven seiner Familie allerdings gehörig strapazierte. Sonja Heiss hat die Geschichte für die Leinwand adaptiert – die Familie gab der finalen Drehbuchfassung ihren Segen.

Berlinale Series
The Architect
In Berlin wohnen schon mehr Menschen unter der Erde als darüber, hört die Architektin Julie. Sie lebt und arbeitet in Oslo, irgendwann in der nahen Zukunft. Nicht nur in Berlin, sondern auch dort sind die Innenstädte für den Großteil der Menschen viel zu teuer geworden, sowohl zum Wohnen als auch zum öffentlichen Verweilen. Immerhin fahren keine Autos mehr, und so kommt Julie auf die Idee, Tiefgaragen zu günstigem Wohnraum umzubauen. Wer braucht schon Fenster? „The Architect“ ist eine Satire mit Gruselfaktor – auch weil ihre Prämisse gar nicht mal so absurd daherkommt.

Der Schwarm
Mit einem Budget von über 40 Millionen Euro gehört „Der Schwarm“ zu einer der teuersten europäischen Serien aller Zeiten, als Showrunner fungierte der „Game of Thrones“-Produzent Frank Doelger. Die Erwartungen sind also hoch für die Verfilmung des Bestsellers von Frank Schätzing, der 2004 seinen Roman über eine Intelligenz in den Tiefen des Ozeans veröffentlichte, die diverse Meeresbewohner dazu bewegt, den Menschen an die Gurgel zu gehen. Diese Geschichte ohne Trash-Faktor zu erzählen ist eine enorme Herausforderung – und das Ergebnis in jedem Fall ein Spektakel.

Spy/Master
Victor Godeanu, Offizier des rumänischen Geheimdienstes und Berater von Ceaușescu, droht als Spion der Sowjetunion aufzufliegen. In Panik bietet er sich bei Verhandlungen in Bonn den USA als Überläufer an, es beginnt ein Agentenpoker zwischen CIA, Securitate, KGB und Stasi. Die Thrillerserie ist inspiriert von wahren Begebenheiten – lose, sei bemerkt. Produziert wurde sie von HBO und Warner, gedreht in Rumänien und Deutschland.

Forum
Our Body
Es beginnt mit einer schwangeren Teenagerin. Ihr Freund habe versprochen aufzupassen, erzählt sie der Ärztin – nun sitzt sie allein bei dem Beratungsgespräch für eine Abtreibung. Es ist nur eins von vielen Schicksalen, die die französische Regisseurin Claire Simon in ihrem Dokumentarfilm zusammengetragen hat. Sie alle spielen sich in einer gynäkologischen Klinik in Paris ab, einem Ort, wo Euphorie und Verzweiflung zum Alltag gehören, wo geweint, geflüstert und geschrien wird. Was hier geschieht, ist privat und bitte diskret zu behandeln, so war lange der Konsens. Er bröckelt – und dieser Film trägt dazu bei.

The Trial
Im April 1985 beginnt der Prozess gegen neun ranghohe Vertreter der argentinischen Militärdiktatur. Die Anklage: Freiheitsberaubung, Folter und Mord. Einen Spielfilm über dieses zentrale Ereignis in der jüngeren Geschichte des Landes stellte Santiago Mitre im vergangenen Jahr in Venedig vor – der Regisseur Ulises de la Orden bannt das Grauen in dokumentarischer Form. Mehr als 500 Stunden Archivmaterial aus dem Gerichtssaal hat er dafür gesichtet und daraus ein dreistündiges Werk konstruiert, das lange im Gedächtnis wirken wird.

W Ukraine
Bilder aus dem russischen Krieg in der Ukraine sind in den Nachrichten dauerpräsent – seltener sehen wir Aufnahmen aus dem Alltag im Land. Die beiden polnischen Regisseure Tomasz Wolski und Piotr Pawlus wollten das ändern. Sie sind für ihren Dokumentarfilm quer durch das angegriffene Land gereist, vom Westen in den Osten. Sie sprechen sowohl mit der Zivilbevölkerungen als auch mit Soldaten, essen im U-Bahn-Bunker zu Abend, verstecken sich mit Kämpfern, streifen über Friedhöfe und machen mit jeder fortschreitenden Minute deutlich, wie sehr der Krieg Einzug in alle Aspekte des Lebens hält.
