Wenn Menschen aus Nord- und Südkorea gemeinsam eine Bank ausrauben

„Haus des Geldes: Korea“ ist der nächste große Serienhit aus Südkorea. Norden und Süden stehen hier kurz vor der Wiedervereinigung. Wem würde diese nutzen?

Verbrechen im Namen der Gerechtigkeit: das koreanische Gangster-Team auf Mission.
Verbrechen im Namen der Gerechtigkeit: das koreanische Gangster-Team auf Mission.Jung Jaegu/Netflix

„Wer kleine Dinge stiehlt, kommt ins Gefängnis oder stirbt auf der Flucht“, sagt der Professor zu Tokyo, „aber wer im großen Stil raubt, wird ein Held.“ Tokyo, eine junge Nordkoreanerin, hat in den Tagen der Wiedervereinigung schon schwere Lektionen des Kapitalismus gelernt, ließ sich von einem Kredithai austricksen, den sie dann kurzerhand erschoss. Nun wird sie polizeilich gesucht. „Vertraue dich mir an“, sagt der Professor zur ihr, in einer dreckigen Gasse irgendwo in Seoul. Tokyo tut es, und sie ist nicht die Einzige. Der Professor und seine Außenseitertruppe planen fortan eine „Revolution“.

Was ist da los? Die koreanische Halbinsel, seit rund 80 Jahren politisch in Nord und Süd geteilt und durch den dreijährigen Koreakrieg ab 1950 schier unversöhnlich zerstritten, bereitet eine friedliche Wiedervereinigung vor. Eine gemeinsame Wirtschaftszone wird eingeführt, die Währungsunion steht bevor. Aber von den verantwortlichen Politikern abgesehen herrscht nicht nur Freude. Schon jetzt zeige sich das, was Skeptiker dieser Traumvorstellung immer befürchtet haben: „Nur die Reichen sind noch reicher geworden.“ So planen die Diebe ein Komplott: die neu gedruckte Währung stehlen.

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Sowohl Nord- als auch Südkoreaner leben in Unterdrückung

Dies ist der Plot der Serie „Haus des Geldes: Korea“, die seit dem 24. Juni bei Netflix zu sehen ist. Wie zuletzt so viele Produktionen aus Südkorea, darunter „Squid Game“ oder „Hellbound“, besticht sie mit imposanter Bildsprache und einer teils grotesken Mischung aus Grausamkeit und Humor. Für ein deutsches Publikum ist sie mit ihrem Setting in dem zumindest in Südkorea weit verbreiteten Traum der koreanischen Wiedervereinigung sofort zugänglich.

Die Serie ist ein Ableger von „Haus des Geldes“, eines der erfolgreichsten Netflix-Titel aller Zeiten. Das spanische Original erzählte seit 2017 in fünf Staffeln von einer Gruppe Krimineller, die zuerst die spanische Banknotendruckerei und dann die spanische Zentralbank überfällt. Im vergangenen Jahr lief die letzte Staffel, ein Spin-off mit einem der Protagonisten im Zentrum ist für 2023 angekündigt.

Im Heist-Genre (vom englischen Wort für Diebstahl), zu dem zum Beispiel auch „Ocean’s Eleven“ oder „The Italian Job“ gehören, sind die Kriminellen stets die Helden, und das Verbrechen ist ein Befreiungsakt. So auch in „Haus des Geldes: Korea“, wo die Gangster aus dem Norden und Süden des Landes auf unterschiedliche Weise unter den ökonomischen und gesellschaftlichen Verhältnissen leiden.

Die Menschen aus Nordkorea leben bis dato (und in der Realität wohl auch weiterhin) in einem Staat, dessen Regierung für Menschenrechte wenig Achtung zeigt und weder eine freie Presse noch breiten Wohlstand ermöglicht. Die Südkoreaner wiederum müssen in einer hyperkompetitiven Gesellschaft zurechtkommen, wo Arbeitgeber ihre Mitarbeiter ausbeuten und der Sozialstaat nur spärlich hilft.

Die Wiedervereinigung wird teuer

Das fiktive Korea mit der gemeinsamen Wirtschaftszone löst beide Probleme nicht. „Haus des Geldes“ schlägt damit in die gleiche Kerbe wie viele der jüngsten filmischen Erfolgsproduktionen aus dem Land: Kapitalismuskritik. „Parasite“, der 2020 als erster nicht englischsprachiger Film einen Oscar als bester Film gewann, handelt von der südkoreanischen Klassengesellschaft, in der sich nur die sozialen Gewinner ein freundliches Verhalten leisten können, während die Verlierer zu Betrug und Gewalt ausholen müssen, um sich ihren Platz zu erkämpfen.

Auch „Squid Game“ hat eine brutale Marktgesellschaft als Ausgangspunkt. Ausweglos verschuldete Menschen befriedigen hier das Bedürfnis der Reichen nach Entertainment, indem sie sich im Rahmen verschiedener Spielchen in Lebensgefahr begeben, um so zumindest die Chance auf Schuldenfreiheit zu erhalten.

Auch „Haus des Geldes“ – das vor allem durch seinen Plot und die starken Bilder gut unterhält, aber auch an Defiziten wie vorgestanzten Charakteren und wenig plausiblen Beziehungsgeflechten leidet – setzt sich direkt oder indirekt mit der Frage nach Schulden und schweren finanziellen Bürden auseinander. Nicht nur weil eingangs unklar ist, wie der gestohlene Geldschatz der neuen Währung am Ende verteilt wird, sondern auch weil zumindest im wahren Südkorea viele Menschen gerade aus finanziellen Gründen skeptisch sind, was das Thema Wiedervereinigung angeht.

Den insgesamt deutlich reicheren Süden würde der Aufbau des Nordens über Generationen viel Geld kosten. Und die Steuerlast würden, so die implizite Annahme auch in dieser Serie, überproportional die Ärmeren im Land tragen.

Wertung: 4 von 5 Punkten

Haus des Geldes: Korea, Serie, 12 Folgen, Netflix