Eklat um Regiepreis

Der polnisch-französische Regisseur Roman Polanski ist mit einem César für die „Beste Regie“ ausgezeichnet worden. Die Proteste gegen ihn wegen Vergewaltigungsvorwürfen halten an.

Paris-Für den französischen Kulturminister Franck Riester ist es ein schlechtes Symbol im Kampf gegen sexuelle und sexistische Gewalt. Aber es ist am Freitagabend gegen die Empfehlung des Ministers gesetzt worden. Trotz erheblicher Proteste im Vorfeld hat der 86-jährige polnisch-französische Regisseur Roman Polanski für seinen Film „Intrige“ den französischen Filmpreis César in der Kategorie „Beste Regie“ zugesprochen bekommen. Polanski selbst war der Preisverleihung wegen zu erwartender Proteste ferngeblieben. Er hat sich wiederholt auf sehr drastische Weise als Opfer einer Lynchjustiz bezeichnet.

Dieses Plakat spiegelt den Protest feministischer Aktivisten gegenüber Roman Polanski wider. 
Dieses Plakat spiegelt den Protest feministischer Aktivisten gegenüber Roman Polanski wider.

Kurz nachdem sein Name in Verbindung mit dem Regiepreis ausgesprochen worden war, verließen mehrere Anwesende aus Protest den Saal des Konzerthauses Pleyel, darunter die Schauspielerin Adèle Haenel, die kürzlich schwere Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen den Filmautor Christophe Ruggia erhaben hatte.

Weitreichender Skandal

Nicht wenige betrachten den César für Polanski als handfesten Skandal, der weit über den wegen Vergewaltigung angeklagten Regisseur hinausreicht. Die Akademie, die den französischen Filmpreis vergibt und zu zwei Dritteln aus Männern besteht, ist nur noch ein Scherbenhaufen. Nach dem Rücktritt des Akademievorsitzenden Alain Terzian vor einigen Wochen sowie der anschließenden Selbstauflösung des gesamten Führungskomitees steht die seit 1976 vergebene Auszeichnung vor einem überfälligen Neuanfang.

Aber es wäre ein Missverständnis, einen Preis für Polanski wegen all dieser Umstände gleich als moralische Bankrotterklärung ad acta zu legen. Wenn weiter an der kulturellen Praxis des Lobens und Preisens festgehalten werden soll, darf soziales Wohlverhalten nicht zu einem Bewertungskriterium für künstlerische Leistungen werden. Der Fall Polanski - inzwischen muss man wohl von Fällen sprechen - beschäftigt die Öffentlichkeit schon sehr lange. Und nach allem was man auch wegen seiner Zugeständnisse über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe sexueller Gewalt weiß, war Polanski kein tugendhafter Mensch. Und zweifellos hat jeder das Recht, daraus Rückschlüsse auf seine künstlerische Reputation zu ziehen. Und doch sollte es weiter möglich sein, ihn als bedeutenden Künstler zu betrachten, nicht zuletzt wegen seines jüngsten Films „Intrige“, in dem es um die historische Dreyfus-Affäre geht, die gewissermaßen die Blaupause aller modernen Rufmordkampagnen darstellt. Gerade in einer Zeit, in der Ressentiments und Affekte auf ungeahnte Weise Einfluss auf die gesellschaftlichen Verhältnisse nehmen, sollte man die Möglichkeiten der juristischen Urteilsbildung nicht vorschnell gegen das Mittel der sozialen Ächtung eintauschen.