Kommentar zur Klimakrise: Zusammenspiel von Klimawandel und Politik
Fast zeitgleich kamen vor wenigen Tagen zwei Dinge zusammen: die Prognose zur gerade stattfindenden rekordverdächtigen Hitzewelle und die Nachricht vom Unvermögen der EU-Repräsentanten, einstimmig ein klimaneutrales Europa bis 2050 zu beschließen. Kurz davor sah man in den Medien das einprägsame Bild der Schlittenhunde in Grönland, die durch Schmelzwasser liefen statt übers Eis. Dazu die Nachrichten vom dramatischen Verschwinden des Permafrostbodens nördlich des Polarkreises. In Kanada ist der Boden bereits so weit abgetaut, wie es Experten für 2090 erwartet hatten. Die dabei freiwerdenden Mengen an Kohlendioxid und Methan werden den globalen Erwärmungstrend weiter beschleunigen.
Das Weltbild von Farmen unterscheidet sich von dem der Forscher, die an den Klimawandel glauben
Wer noch an das Erreichen der Ziele des Pariser Klimaabkommens glaubt, dass die globale Erwärmung bei höchstens 1,5 Grad gestoppt werden kann, muss sich wie in Don Quijotes Kampf gegen die Windmühlenflügel vorkommen.
Laut einer amerikanischen Universitätsstudie sind mehr als 90 Prozent repräsentativ befragter Klimaforscher in den USA von der Realität des Klimawandels überzeugt. Die Hälfte von ihnen führt ihn hauptsächlich auf menschliche Einwirkungen zurück, weitere 30 Prozent auf die Kombination von Folgen der Industrialisierung und natürlichen Ursachen. Ein Drittel der amerikanischen Farmer jedoch hält es mit dem Präsidenten, der nicht daran glaubt, dass es überhaupt Belege für einen Klimawandel gibt. Die Verfasser der Studie raten den Klimaforschern, zu erkennen, dass ihr Weltbild sich von dem der Landwirte grundsätzlich unterscheiden könne, weil der Farmer sich nun mal auf das Wetter und die Erntesaison konzentriere, statt an die nächsten 30 Jahre zu denken.
Den Klimawandel müssen später alle bezahlen
Gibt es überhaupt noch eine Aussicht, die Klimakrise zu bewältigen? Woher soll der Impuls für eine Umkehr kommen, wenn die selbst angelegten ökologischen Scheuklappen jeden Weitblick verstellen, wenn das „weiter so um jeden Preis“ zum Lebensprinzip politisch Verantwortlicher, aber auch jedes Autobahnrasers gehören? Deutschlands fast weltweites Alleinstellungsmerkmal, ohne Tempolimit „freie Fahrt für freie Bürger“ zu gewähren, seit der Spruch in den 70er-Jahren erfunden wurde, ist ein Musterbeispiel gewissenloser Ignoranz.
Ich gebe zu, angesichts der globalen Herausforderung kämen wir mit überfälligen, ökologisch vernünftigen Verkehrslösungen nicht mal auf „Peanuts“-Niveau. Aber wie soll der große Wurf aussehen? Darüber hat Joseph E. Stiglitz, der 2001 den Nobelpreis für Volkswirtschaft erhielt, dem Guardian Anfang des Monats einen Aufsatz geliefert. Er beschreibt die Situation mit einer Analogie der Mobilisierung der USA zum Kampf im Zweiten Weltkrieg. Die Klimakrise habe ein so existenzbedrohendes Ausmaß erreicht, dass die Frage überflüssig sei, ob man sich den Kampf überhaupt leisten könne. Durch klimabedingte Katastrophen habe das Land bereits zwei Prozent seines Bruttosozialprodukts verloren, dazu Milliarden Dollar durch gesundheitliche Schäden. „Wir werden für den Klimawandel zu bezahlen haben, daher ist es sinnvoll, jetzt Geld auszugeben, um die Emissionen zu reduzieren, anstatt später viel mehr für die Folgen zu bezahlen.“ Stiglitz verspricht der amerikanischen Wirtschaft einen „New Green Deal“ mit höchsten Wachstumsraten – aber er wird Trump nicht erreichen.