Raumfüllend und sehr vertraut: das Prinzen-Konzert in der Max-Schmeling-Halle

Die Prinzen gastierten anlässlich ihres 30-jährigen Bestehens in der Max-Schmeling-Halle, spielten alle Hits und redeten etwas zu viel.

Die Prinzen im Friedrichstadtpalast bei einem ihrer früheren Berlin-Konzerte.
Die Prinzen im Friedrichstadtpalast bei einem ihrer früheren Berlin-Konzerte.POP-EYE/imago

Wer sich für urban hält, überlegt es sich dreimal, bevor er oder sie an den Stadtrand oder gar in die Provinz fährt. Denn dort herrscht das richtige Leben, dort leben normale Menschen, die die Realität repräsentieren. Oft haben sie einen Garten mit einem Teich, an dem abends die Frösche quaken, und sie hören vielleicht gern die Prinzen.

Hin und wieder ist es aber nicht unklug, sich einem sogenannten Realitätscheck zu unterziehen. In diesem Fall hätte der urbane Mensch am Sonnabend keinen Fehler gemacht, zum Konzert in der Max-Schmeling-Halle zu gehen, das die Prinzen dort im Rahmen ihrer durch Corona um zwei Jahre verschobenen 30-Jahre-Jubiläumstour gegeben haben. Hier ließen sich sehr viele eindeutig die Realität in diesem Land repräsentierende Menschen aus Berlin und dem Umland dabei beobachten, wie sie begeistert zu antirassistischen Schlagern jubelten. Man hörte die Frösche quaken – und zwar vor Beginn, während alles sich auf die Sitzplätze einfand. Dabei fiel auf, was für ein mächtiges Geräusch so ein Froschquaken doch ist: nicht sehr laut, aber raumfüllend, andersweltlich und doch so vertraut; Frösche sind mithin die obersten Botschafter provinzieller Lebensweisen.

Alles schon gehört – das Repertoire der Prinzen

Die zweitbesten Botschafter provinzieller Lebensweisen an diesem Abend waren weniger leise und andersweltlich, dafür aber umso raumfüllender und sehr vertraut: die Prinzen höchstselbst, diese schelmischen Thomanerknaben, die den ewig Elfjährigen in mir triggern ,wie es damals sonst nur Otto Waalkes vermochte.

Nachdem also das natürliche Quaken in eine Animation auf der Leinwand übergegangen war, in der fünf der Prinzen-Maskottchen, nämlich Froschkönige, ein anmutiges Neo-Barock-Quaken durchharmonisierten, erschien die Band und spielte „Krone der Schöpfung“, dessen Text sich anhört, als sei er das Ergebnis eines Songschreib-Workshops mit Siebtklässlern zum Thema Klimawandel. Sehr gut! Und durchaus eingängig.

In der Folge wurden alle Hits von damals und heute gegeben, und dabei fiel dem sich urban wähnenden Schnösel in mir auf, wie viele dieser Lieder ich eigentlich doch kenne.

Kennen tun sich die Prinzen logischerweise gegenseitig sehr gut und sehr lange, nämlich im Fall der beiden Frontmänner Sebastian Krumbiegel und Tobias Künzel seit früher Kindheit. Darüber redeten sie zwischen den Liedern entsprechend ausgiebig, was einerseits erhellend und unterhaltsam war, andererseits manchmal ein wenig an den Teil einer Hochzeitsfeier erinnerte, wo alte Freunde mit dem Erinnerungsdiavortrag nerven, obwohl alle eigentlich tanzen und sich betrinken möchten.

Die Kunst, nicht zu verprellen

Doch bekam man die Hits, wie gesagt, ja auch: „Das Leben ist grausam“, „Vergammelte Speisen“, „Alles nur geklaut“ und natürlich das von Krumbiegel kokett als „Welturaufführung“ anmoderierte „Küssen verboten“. Auffällig ist am Beispiel des neuen Stücks „Dürfen darf man alles“, in dem die Debatte um Wokeness und Cancel Culture verhandelt wird, wie geschickt die Prinzen in ihren vermeintlich doofen Texten dem reaktionären, querdenkerischen Kontingent unter den Hörer:innen sagen, es sei auf dem Irrweg, ohne es zu verprellen.

So sind die Prinzen, zweitbeste Botschafter des realen Lebens da draußen, gerade in diesen Zeiten wichtiger denn je.