Das ist mal ein Auflauf: Drei ausgewachsene Schlagzeuge auf der Bühne, im Publikum bärtige Männer mit Gitarren-Plektrum als Ohranhänger und Led-Zeppelin-, David-Bowie- oder Tommy-Hilfiger-T-Shirt sowie rauchende Frauen im Innenhof des Admiralspalasts. Am Sonntagabend spielten King Crimson in Berlin und alle kamen. Lange Schlangen bildeten sich vor dem Palasteingang, das Konzert war ausverkauft, eine zweites deshalb für den Montag anberaumt worden. Und die siebenköpfige Band enttäuschte die Menschen nicht. Zum Schluss gab es stehende Ovationen für die Erfinder, nein: die Genrebegründer und Trendsetter des Progressive Rock.
King Crimson betreiben Klangforschung
Das Genre steht in dem Ruf, schwierig zu sein – verkopfte Musik für verkopfte Leute, nicht richtig tanzbar, eher so zum geduldigen Zuhören. Das ist falsch, jedenfalls teilweise. King Crimson gründeten sich 1969 und sind neben den vielen anderen Prog-Rockern aus der Zeit, etwa Genesis, Yes oder Emerson, Lake and Palmer, vor allem diejenige Band, die mit dem Experimentieren nie aufgehört hat. Denn das bedeutet ja Progressive Rock: Populäre Musik zerschreddert und neu zusammengesetzt von Alleskönnern, die sich dabei auch noch jedwedes Geräusch, jede Epoche, jeden Stil einverleiben. Die Band als Versuchsanordnung, das Studio, die Bühne als Labor. King Crimson betreiben Klangforschung.
Deshalb stehen drei Schlagzeuge im Admiralspalast. Zum Auftakt lassen Pat Mastelotto, Jeremy Stacey und Gavin Harrison ein heftig verwirbeltes, allemal hitziges Rhythmusgewitter auf ihr Publikum niedergehen. Nicht brachial, sondern filigran. Aber sehr laut: Die drei Schlagwerker verstehen sich prächtig, sie schieben die Takte minutiös in- und über- und gegeneinander. Sie suchen die Nähe zum Chaos und entkommen ihm immer wieder ganz knapp. Es ist, als machten sie Tabula rasa für das Kommende, als wollten sie Band neu ausrichten, musikalisch kalibrieren. Dermaßen eingestimmt, darf dann auch der Rest der Truppe endlich mittun. Es bleibt in jedem Fall ein lauter Abend.