Kunst-Wochenende in Zürich und Genf: Skulpturen, die Zeitlichkeit spiegeln
Zwei Events in der Schweiz, auf denen auch Berliner Künstlerinnen vertreten waren, zeigen jüngste Trends in der Kunst. Unsere Autorin hat sie besucht.

In einem Park in Genf steht eine Bronzeskulptur einer jungen Frau mit grüner Patina. Die Statue hat einen fast schon übermäßig zarten und langen Körper mit einem viel zu kleinen Kopf. An ihren Schultergelenken und kurz unter ihrem Bauch sind Nähte erkennbar. Bei Lucy McKenzies „Anonymous Statue“ (2022) handelt es sich eigentlich um eine Schaufensterpuppe. Die Arbeit ist eine unter mehr als 24 Arbeiten, die auf der dritten Ausgabe des Skulpturengartens in Genf ausgestellt wird und dort noch bis September zu sehen sein wird.
2018 wurde das Projekt initiiert, um Genf als Kunststandort herauszustellen und nun wird es von Devrim Bayar kuratiert. In zwei aneinandergrenzenden Parks und dem naheliegenden Strand des Genfer Sees findet diese Outdoor-Ausstellung statt – mit Arbeiten, unter anderem von Meriem Bennani, Sophia Al-Maria, Willem Oorebeek und Douglas Abdell.

McKenzies Skulptur basiert auf dem plastischen Original der Schaufensterpuppe. Obwohl dabei vielleicht gar keine Rolle spielt, welche Puppe für den Bronzeguss nun als Original diente, da diese sich ja ohnehin alle bis auf ihre nichtexistierenden Haare ähneln. „Anonymous Statue“ untersucht die Relation zwischen öffentlichen Statuen und kommerziell fabrizierten Schaufensterpuppen.
Puppen vs. Statuen
Dabei werden für McKenzie beide Figuren durch ihr Alter geprägt: Die Statue durch ihre Einbettung in eine historische Praxis, die Persönlichkeiten gedenkt – und die Puppe durch die sich ständig veränderten Ansprüche der Modewelt. Obwohl Daniel Lie in der „Them“ (2022) die Modewelt nicht kritisiert, scheinen Lies und McKenzies Arbeit regelrecht nahtlos ineinander überzugehen. Für den Skulpturengarten hat Lie riesige Textilstücke angefertigt, die von den Kronen einer Gruppe Mammutbäume mit dem Wind wehend herunterhängen. In Lies Installationen transformieren sich organische Materialien oftmals selbst und spiegeln dadurch ihre eigene Zeitlichkeit.
Läuft man ausgehend von Lies Arbeit durch die Parkanlage und an den diversen anderen Skulpturen vorbei, erreicht man schließlich eine mehr als menschengroße, aufblasbare Ecstasy-Pille inmitten von mehreren Bäumen. Die Arbeit der in Berlin lebenden Künstlerin Zusanna Czebatul hat auf einer Seite die Wörter „Rush“ und „Revolution“ aufgeprägt. Die Künstlerin, die letzten Sommer zusammen mit Daniel Lie an einer anderen Outdoor-Ausstellung in der Berlinischen Galerie beteiligt war, thematisiert hier Rave-Kultur und Clubs als Orte sozialer Utopien.
Das Art Weekend erstreckt sich über Zürich
Eine ungefähr zweistündige Zugfahrt vom Genfer Skulpturenpark liegt Zürich. Dort fand jüngst eine weitere Groß-Kunst-Veranstaltung statt: das Zurich Art Weekend. Es ist eine Mischung aus dem Gallery Weekend und der Art Week in Berlin mit zahlreichen Ausstellungseröffnungen in Galerien und Institutionen sowie Talks und Rundgängen.
Im Löwenbräu – ein Gebäude, das mehrere Galerien beherbergt – sammeln sich hier die meisten Veranstaltungen und Ausstellungen. Hier ist etwa eine Einzelausstellung von Sophia Al-Maria zu sehen, die auch im Skulpturengarten vertreten ist. Hauser & Wirth zeigt neben einer Einzelausstellung von Jack Whitten ein Werk von Frank Bowling, dessen Sohn zum Anlass des Art Weekends eine Führung gibt.
Der erzählt hier von der rigorosen Arbeitsmoral seines Vaters, der nach einem Krankenhausaufenthalt 50 Tage am Stück ohne Unterbrechung ins Studio ging. Bowlings großformatige Gemälde experimentieren mit leuchtenden Farben und beinhalten auch unerwartete Momente. Auf einem der Gemälde ist etwa eine Austernschale angebracht, die in Farbe getaucht wurde.
Ein paar Meter weiter kann man neben der Galerie Francesca Pia, die eine Gruppenausstellung mit Alvin Baltrop, Heimo Zobernig und Wade Guyton zeigt, eine Einzelausstellung der in Berlin lebenden Künstlerin Raphaela Vogel finden. Die Ausstellung zeigt weiße, an Aluminiumstangen hängende und aus Plastik bestehende Löwen, die im Galerieraum zu schweben scheinen. Sie wirken fast schon surreal und stehen im starken Kontrast zu Nina Beiers hyper-realistischen Löwen im Genfer Skulpturengarten.
Das Zurich Art Weekend zieht sich durch die gesamte Stadt. Selbst auf der Langestraße kann man neben Bars, Clubs, Bordellen und dem Straßenstrich Kunst finden. Hier ist der Projektraum Wynx Club, ein kuratorisches Projekt von Studierenden der Zürcher Kunsthochschule. Sie sind neben anderen Off-Spaces ebenfalls offizieller Teil des Art Weekends, dass damit zeigt, dass nicht nur Galerien wie Hauser & Wirth teilnehmen können, sondern auch unabhängige Räume unterstützt werden.
Die Arbeiten des Skulpturengarten im Rahmen der Genf Biennale sind noch bis September zu sehen: www.sculpturegarden.ch