Rätselhafter Maler: Johannes Heisigs neue Bilder werden jetzt in Berlin gezeigt
Stillleben, Gruppenbilder, Selbstporträts: Der Meister aus der Leipziger Schule ist von einem Jungen Wilden zu einem Alten Wilden geworden. Ein Geheimtipp!

Berlin-Auf dem Gemälde „Ausblick“ war die Farbe noch feucht, als es in der Galerie Berlin in der Auguststraße ankam. Entsprechend also der ursprünglichen Bedeutung des französischen Wortes Vernissage, was im 19. Jahrhundert bedeutete, dass aufs endgültige Gemälde noch der Firnis aufgetragen wurde, ehe der Pariser Salon eröffnete.
Johannes Heisig, der vielfach geehrte Porträtist und Politiker, aber auch der große Zweifler unter den aus dem deutschen Osten stammenden Malern, hat sein jüngstes Bild noch in der Nacht vorm Transport aus dem Atelier in der Prignitz nach Berlin übermalt, die irrlichternde Szenerie des Abendhimmels überm Garten. Und insbesondere den Mann am Feuer. Möglicherweise ein Freund. Oder ein Selbstporträt?

Jetzt wirkt der Mann noch mehr in sich versunken, grüblerisch wie ein schratiger Philosoph mit derben Schuhen, dem Seppl-Filzhut der Berg- und Tal-Bewohner, den Kopf sinnierend zugewandt dem flammenden Holzstoß und ein bisschen wohl auch der jungen Frau mit blauer Mütze. Das Motiv wäre lesbar als Osterfeuer, wegen der beiden warm angezogenen Kinder, dem noch kahlen Obstbäumchen. Jetzt sind es ja auch nur noch knapp zwei Wochen bis zu den Hexenfeuern der Walpurgisnacht, den auf dem Land seit Jahrhunderten angezündeten, umtanzten Maifeuern, wo böse Geister vertrieben werden sollen. Und auch das Johannisfeuer am 23. Juni ist ein uralter Brauch: das Sonnwendfeuer, Symbol für den längsten Tag des Jahres.
Bei Johannes Heisig, geboren 1953 in Leipzig, Sohn des „Alten Wilden“ der Leipziger Schule Bernhard Heisig und über die Wendezeit hinweg der junge, gegen den Abgesang der gegenständlichen Malerei ankämpfende Rektor der Dresdner Kunsthochschule, sind solche Motive meisterhaft gemalte Momente, Situationen, Psychogramme. In der Galerie hängen Stillleben, furiose Gartenbilder mit einsamen alten Bäumen und verwunschenem Gebüsch, dazu die grüblerischen Selbstporträts. Heisig fängt mit seinem so expressiven wie emotional-subtilem Stil, dem dicken, nervösen Ölfarben-Auftrag Intensitäten ein, macht daraus Metaphern.

Im Corona-Jahr 2021 malte er „Reste vom Fest“. Unter einem riesigen Blumenbouquet mit blutroter Blüte scheint der Tisch zusammengekracht, darunter liegt auf einer Schlangenhaut eine Frauenstatue. Diese rätselhafte, delikate Malerei steht wohl für das Scheitern einer Illusion von klassischer Malerei? Kürzlich erst hat er sich selbst gemalt, im Atelier vor dem Spiegel. Ein Bild im Bild, fragend, uneitel, geradezu defensiv für den einstigen „Jungen Wilden“. Beobachten. Sehen. Akzeptieren. Die Beschäftigung mit dem Unmittelbaren, sagt Heisig, öffne den Blick für die Vergänglichkeit der Dinge.
Galerie Berlin, Auguststr. 19, bis 7. Mai Di.–Sa. 14–18 Uhr.