Von wegen „Halle für alle“ – Berlin bevorzugt bislang Bonner Kurator
Dank der SPD darf Walter Smerling offenbar mit seiner Bonner Privatstiftung die Hangars 2 und 3 des Flughafens Tempelhof doch noch weiter bespielen.

Am 30. Mai hatte Berlins Kunstszene mit einer Guerilla-Aktion vor den Hangars 2 und 3 des ehemaligen Flughafens Tempelhof eine grimmige Schlüsselübergabe gefeiert und die Räumlichkeiten symbolisch in Besitz genommen. Das Ganze war eine satirische Performance des Transformationsbündnisses – für eine „(Kunst)Halle für alle“.
Die zweijährige Zank- und Streitgeschichte um den intransparenten Deal mit der privaten Bonner Stiftung für Kunst und Kultur unter dem umtriebigen Manager Walter Smerling, bestens vernetzt in Wirtschaft und Politik, schien dem fatalen Teil der jüngeren Berliner Geschichte anzugehören. Im Abgeordnetenhaus war die Causa im Mai Thema – und fast schien es so, als wolle die Politik das Dilemma beenden.
Smerling hatte sich für seine keineswegs berlinbezogene Blockbuster-Ausstellung den Titel „Kunsthalle Berlin“ angemaßt. Das führte zu explosionsartiger Empörung und Boykottaufrufen. Erstens fordert die hiesige Kunstszene seit 31 Jahren nach der Schließung der alten Kunsthalle in Charlottenburg einen Ersatz. Und zweitens erließ die Regierung dem Bonner Verein auch noch die Nutzungskosten für die von der senatseigenen Tempelhof GmbH verwalteten Gebäude. Man gab sich mit der Hälfte der Betriebskosten zufrieden. Erst nach heftigsten Protesten übernahm das Smerling-Team die ganzen Betriebskosten.
Ende Mai hieß es, der private Bonner Verein sei mit seinem vielen Geld abgezogen. Amen! Doch es kam anders: Gegen das Konzept der Künstlerschaft im Transformationsbündnis Tempelhof und eine Bürgerbeteiligung hat sich der SPD-dominierte Aufsichtsrat der Tempelhof GmbH – wie berichtet, explizit die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey – bei seiner Sitzung am 14. Juni mehrheitlich für die weitere Zwischennutzung durch die private Bonner Stiftung bis August 2023 ausgesprochen. Smerling und seine Stiftung berufen sich auf die vertragliche Verpflichtung der Tempelhof GmbH, ohne dass das inhaltliche Programm benannt und die finanziellen Strukturen klar dargelegt wurden. Das Nutzungs- und Transformationskonzept der Künstler wurde gar nicht besprochen. Jedoch soll Smerling (der 2021 Putin zum Schirmherren der Ausstellung „Diversity United“ machte) wohlfeil angeboten haben, eine Schau mit ukrainischer Kunst zu kuratieren.
Empört kündigte daraufhin das parteilose Aufsichtsratsmitglied Adrienne Goehler die Mitarbeit im Gremium auf. Die einstige Kultursenatorin und Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds wirft, wie sie der Berliner Zeitung sagte, insbesondere der SPD vor, die historische Schwerlast der NS-Architektur des Flughafens Tempelhof zu ignorieren und eine inhaltliche Umwandlung durch die Stadtgesellschaft und deren Kreative zu verhindern – dies immer unter pragmatisch-finanziellen Aspekten.

Die bisherige Faktenlage: Seit Jahren gibt es nur halb öffentlich angekündigte Veranstaltungsformate. Die Tempelhof Projekt GmbH ließ keinen erkennbaren Einfluss auf die Raumvergabe erkennen. Senatsverwaltungen, die vom Transformationsbündnis angesprochen werden, schieben die Verantwortung für die Nutzung von sich und weisen sie den jeweils anderen Verwaltungen zu. Eine konzeptionelle Ausrichtung und inhaltliche Nutzungsentwicklung der Anlage findet nicht statt. 2021 wurden die Hangars 2 und 3 durch den ehemaligen Regierenden Bürgermeister Müller (SPD) und mit Unterstützung des Aufsichtsrats der Tempelhof Projekt GmbH dem privaten Kulturmanager Walter Smerling angeboten. Das Angebot enthielt Mietfreiheit und zu 50 Prozent erlassene Betriebskosten (2,4 Millionen Euro aus Landesmitteln). Smerling durfte nach eigenem Ermessen und mit Profitorientierung die „Kunsthalle Berlin“ betreiben, nach dem Protest beschwichtigend umbenannt in „Kunsthalle Tempelhof“.

Der zweifelhafte Fall von Direktvergabe öffentlicher Mittel unter dem Deckmantel der Berliner Kunstförderung wurde nur unterbrochen, weil Künstler und andere Bürger immer energischer protestierten. Die Tempelhof Projekt GmbH wurde daraufhin von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa, die sich für die Vorschläge des Transformationsbündnisses offen zeigt, aufgefordert, ein transparentes Vergabeverfahren für kulturelle Nutzungen zu entwickeln. Das Transformationsbündnis legte zu diesem Zweck sein Konzept vor – auf der Basis einer temporären Öffnung der Hangars 2 und 3 für die Stadt und deren Kreative.
Dieses Bündnis, in das auch der BBK (Berufsverband Bildender KünstlerInnen Berlin) involviert ist, legte dezidierte Projektpläne vor, deren Finanzierung freilich noch nicht unterfüttert werden konnte. Allein der Kultursenat gab kund, sich ernsthaft mit dem Begehr der Stadtgesellschaft zu befassen. Die Kostenfrage erfordert – zumal in diesen unruhigen und kriselnden Zeiten – mannigfaltige Klärung. Und dennoch rückte die Utopie von künftigen Ausstellungen für Berliner Kunst, die bislang von der Galerien- und Museumsszene nicht bedacht wurde, sympathisch in greifbarere Nähe.
Für die Kunstschaffenden (ca. 40.000 in Berlin) und alle Bürger, so heißt es im Papier des Bündnisses, stelle der Ort Flughafen Tempelhof als zwiespältiges Denkmal der deutschen Geschichte einen idealen Ausgangspunkt dar, um Gesamtgesellschaftliches zu thematisieren. Hier sollte sich konkret und produktiv ein gesellschaftliches Reallabor mit dem riesigen ambivalenten Gebäudekomplex der Naziarchitektur befassen. Deshalb gehe es nicht bloß um pragmatische Nutzung, sondern regelrecht um gesellschaftliche Transformation. Das Bündnis betont in Bezug auf Machbarkeit und Finanzierung ganz realistisch, dass Nutzungen sich selber tragen müssten.

Vor gut zwei Wochen hat der Aufsichtsrat der landeseigenen Tempelhof Projekt GmbH der weiteren Nutzung durch Smerling und seinen Verein zugestimmt. Aber es besteht noch Hoffnung auf Änderung der Situation: In wenigen Stunden, am 28. Juni, ist eine Senatssitzung anberaumt. Ob man dann das intransparente Mauscheln rückgängig macht, endlich mal das Papier des Transformationsbündnisses gründlich liest und für Berlin und nicht fürs Klüngeln entscheidet? Wir werden sehen.