Carlo Menses „Rabbi S. und Tochter“ bleibt Berlin als Geschenk
Die Preußenstiftung restituiert drei Gemälde aus der Sammlung des jüdischen Anwaltes Ismar Littmann an die Erben.

Den Nazis war der Breslauer Kunstsammler und Anwalt Ismar Littmann (1878–1934) mehr als ein Dorn im Auge. Sie machten ihm, dem vollkommen assimilierten deutschen Juden und seiner Familie Angst, sie drohten und verfolgten ihn. Seine berufliche, finanzielle und persönliche Situation verschlechterte sich massiv.
Schon im April 1933 war der Jurist und Mäzen vieler Künstler des deutschen Expressionismus, Impressionismus und der Neuen Sachlichkeit gezwungen, die erneute Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer zu beantragen. Bis zur eingeschränkten Wiederzulassung am 1. Juni des Jahres von Hitlers Machtergreifung mussten seine Kanzleigeschäfte ruhen und danach nicht mehr in Gang zu bringen. Littmann machte aus Verzweiflung einen Selbstmordversuch, an dessen Folgen er Monate später verstarb. Zu seiner Sammlung zählten auch Bilder von Liebermann und Corinth.
Mit seinem Tod verlor die Familie Littmann jede Möglichkeit, den Lebensunterhalt zu bestreiten, und geriet in wirtschaftliche Not. Die Witwe und der Sohn sahen sich gezwungen, über die Deutsche Bank große Teile der Kollektion ins Berliner Auktionshaus Max Perl zu geben, auch um die nötigsten Mittel für die Flucht vor den Nazis und dem drohenden Holocaust zu haben. Die Gemälde „Doppelbildnis (Rabbi S. und Tochter)“, 1925, von Carlo Mense, „Die Ruhende“, 1911, von Max Pechstein und „Selbstbildnis“, 1925, von Wilhelm Schmid wurden auch in dieser Auktion angeboten, blieben aber unverkauft. Sie wurden erst im August 1935 als Teil eines En-bloc-Verkaufs von Kunst durch die Dresdner Bank an den Preußischen Staat veräußert. So gelangten die Bilder schließlich in die heutige Neue Nationalgalerie, in den Mies-van-der-Rohe-Bau am Kulturforum.

Alle drei Gemälde wurden, wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz am Mittwoch meldete, noch am gleichen Tag an die Nachfahren Ismar Littmanns restituiert. Die Erben beschlossen, welch bemerkenswerte Geste, das „Doppelbildnis (Rabbi S. und Tochter)“ der Stiftung und damit dem Land Berlin zu schenken. Künftig wird neben dem Gemälde in der Neuen Nationalgalerie dessen Geschichte zu lesen sein. So werden wir erfahren, dass der aus einer tiefkatholischen Kaufmannsfamilie stammende Maler Carlo Mense zunächst expressionistisch, später neu-sachlich malte und sich intensiv mit der jüdischen Kultur befasste. Ab 1925 lehrte er an der Kunstakademie Breslau, einem wichtigen Zentrum jüdischen Lebens. Dort machte er die Bekanntschaft Littmanns, der sein Bild erwarb. Das Doppelbildnis eines Rabbiners mit seiner Tochter dürfte auf eine Italien-Reise zurückgehen, denn das grüne Kleid mit weitem Halsausschnitt ist für die Tochter eines deutschen oder osteuropäischen Rabbiners ebenso untypisch wie der schwarze Schleier aus Spitze, der typisch ist für Südeuropa.
Alle drei Bilder gehörten zu einem Konvolut von über 4000 Kunstwerken, die der Staat Preußen 1935 von der Dresdner Bank ankaufte und kurz darauf an die Staatlichen Museen zu Berlin übergab. Seit 2018 erforscht die SPK in einem eigenen Provenienz-Forschungsprojekt am Zentralarchiv der Staatlichen Museen den Bestand.
Es war zweifellos nachweisbar, dass diese drei Gemälde spätestens bis 1930 zur Sammlung Littmann gehörten. Trotz mehrjähriger umfangreicher Forschung ließen sich allerdings bislang keine Dokumente auffinden, die die Einzelheiten einer möglichen Sicherungsübereignung an die Dresdner Bank darstellen. Es lässt sich daher nicht eindeutig rekonstruieren, in welcher Form die drei Bilder zum Zeitpunkt des Verkaufs im August 1935 noch Teil des Vermögens der Familie Littmann waren. Die Gesamtumstände legen indes nahe, dass der Verkauf durch die Dresdner Bank zu einem verfolgungsbedingten Vermögensverlust der jüdischen Familie führte.

„Die Verfolgung durch die Nationalsozialisten hat Ismar Littmann in den Tod getrieben. Auch wenn wir nicht alle Einzelheiten zum Verlust jener drei Werke aus seiner Sammlung kennen, die sich seit 1935 im Bestand der Nationalgalerie befanden, so sind die Umstände doch so, dass eine faire und gerechte Lösung im Sinne der Washingtoner Prinzipien der einzig angemessene Weg schien“, so Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Und Anna B. Rubin, Direktorin des Holocaust Claims Processing Office des New York State Department of Financial Services sagte im Namen von Littmanns Nachfahren: „Die Littmann-Erben bemühen sich seit langem um die Rückgabe dieser wichtigen Kunstwerke und sind äußerst erfreut, dass die SPK anerkennt, dass der Verlust dieser Werke unrechtmäßig und ungerecht war.“ Sie lobte die unbürokratische Rückgabe und betonte, es sei „den Erben eine große Freude, das Mense-Gemälde mit seiner gesamten tragischen Geschichte der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“.