Er ist 92 Jahre alt und gibt kein bisschen Ruhe. Für Günther Uecker, geboren 1930 auf der Ostseehalbinsel Wustrow, berühmt geworden als „Nagelkünstler“ in Düsseldorf, wohin er schon 1953 aus der DDR unter der Ulbricht-Regierung, nach seinem Rauswurf aus der Kunsthochschule Berlin-Weißensee geflohen war, vergeht kein Tag ohne Kunst.
Der rastlos kreative Bildhauer und abstrakte Maler, noch immer bei erstaunlicher körperlicher und geistiger Kraft, ist kein religiöser Mann. Doch er schafft die neuen Fenster für den Schweriner Dom in der Landeshauptstadt von Mecklenburg- Vorpommern, seiner alten Heimat. Die historischen Bleiglasscheiben waren 1945 zerstört und seitdem nur mit schmucklosem Fensterglas ersetzt worden. Uecker schenkt der Kirche seine vier Entwürfe für das Süd-, Nord- und beide Westfenster.
Es sollen strahlend blaue, an den Marienmantel, an den Himmel, die nahe Mecklenburgische Seenplatte und die Ostsee erinnernde poetisch abstrakte Glasmalereien sein. Er nennt sie „Lichtbogen“, die an die gotische Architekturgeschichte des Doms anknüpfen. Das Denkmalschutzamt hat zugestimmt, Sparkassenstiftungen, Land und der Förderverein des Doms sichern die bauliche Umsetzung finanziell.
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Ueckers Name ist eng verbunden mit der westdeutschen Nachkriegsavantgarde, nicht nur mit seinen Nagelbildern und Sanduhren, auch mit ZERO, einer Lichtkunst, die Utopien, das kühne, kreative Spiel mit Monochromie, mit Farbe, Vibration, Licht und Spiral-Bewegung, mit fragmentierten Körperfotos, Rotoren und Sanduhren verband. Alles, was einen da schier zu überwältigen scheint, ist eine zauberische Mischung aus Rationalismus und Metaphysik. ZERO steht bis heute für Schweigen und Stille, für eine Zwischenzone, in der ein alter Zustand in einen neuen übergeht.
Diese Kunstmaxime teilte Uecker mit den Künstlerfreunden Otto Piene und Heinz Mack. Ihre ZERO-Kunst war einst der Aufbruch in eine unbekannte Dimension der Reinheit der Kunst, voller grenzenloser Lichträume, endloser Zeitschleifen, informeller Botschaften. Während nach dem Zweiten Weltkrieg Amerikas Maler, allen voran Pollock, den Abstrakten Expressionismus zur Weltkunstsprache machten, riefen diese drei Deutschen den Neubeginn der Künste nach Naziherrschaft und dem im Ostblock verordneten Sozialistischen Realismus aus.
Nichts an Ueckers Bildsprache ist heute überholt. Die Menschen, sagt er, brauchen in dieser zerrissenen Zeit Hoffnung, Trost, Ermutigung. Und Schönheit. Etwas, das die Kunst zu geben vermag, wenn sie auch Krieg, Krisen und Gewalt nicht aus der Welt schaffen kann. Zügig hat der alte Künstler mit der Arbeit an den ersten beiden Domfenstern begonnen.