Lustwandeln auf dem Exerzierplatz: Der verschwundene Zwingerpark

Archäologen haben Beweise für die Existenz des Pöppelmann’schen Barockgarten im Innenhof des Dresdner Zwingers gefunden. Unter wertvollem Schutt.

Ausgrabungsstätte im Zwingerhof vor dem Kronentor
Ausgrabungsstätte im Zwingerhof vor dem Kronentordpa/Sebastian Kahnert

Dresden-Wer eine freie halbe Sommerstunde in Dresden verbringen darf, bevor er zum Beispiel in die Semperoper oder ins Staatsschauspiel geht, den führen die Schritte in den Zwingerhof. Beeindruckend, ja schon, ein Hauptwerk europäischer Barockarchitektur, gebaut von 1709 bis 1728 von dem Architekten Matthäus Daniel Pöppelmann (1662–1736) im Auftrag von August dem Starken (1670–1733). Aber wozu? Zum Abhalten höfischer Feste und repräsentativer Zeremonien. Aber weit und breit kein schattiges Plätzchen, auf dem man ein bisschen im Programmheft blättern kann. Bei allem Respekt, der 14.000 Quadratmeter große Innenhof atmet den Charme eines, Achtung, das ist gemein: preußischen Exerzierplatzes – mit zugegeben pittoresker Kulisse.

Vogelgesang unterm Orangenbaum

Dass das so nicht gemeint war, ahnte man schon länger, nun haben Archäologen Beweise für die Existenz eines barocken Parks gefunden. „Unsere Vermutungen haben sich bestätigt: den Pöppelmann’schen Garten gab es wirklich“, sagte Projektleiter Hartmut Olbrich vom Landesamt für Archäologie der dpa. Gefunden wurden Wegestrukturen, Beckenfundamente und Bänke. Der Garten war mit Buchsbaum und Eiben bepflanzt, auf den Wegen war bunter Kies verstreut, exotische Pflanzen und Orangenbäume in Kübeln spendeten Schatten. Auch Vögel wurden angeschafft. Tirili.

Fundstücke aus der Packlage, der untersten Befestigungsschicht im Wegeaufbau.
Fundstücke aus der Packlage, der untersten Befestigungsschicht im Wegeaufbau.dpa/Sebastian Kahnert
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In den 1920er-Jahren hat der damalige Leiter der Zwingerbauhütte Hugo Ermisch die 1813 in der Schlacht um Dresden beschädigten Gebäude wieder aufgebaut, eine Mammutaufgabe. Dass der Garten hierbei nicht die erste Priorität genoss und auch sonst mit viel Schwung vorgegangen wurde, zeigt die Tatsache, dass Ermisch herumliegende und beschädigte Originalteile der Sandsteinfassade darunter Figuren, Baluster, Vasen, Blumen, Hände und Gewandfalten recht brutal recycelt hat, indem er sie zerschlug und als Drainageschicht über den Garten verteilte. Die besten Stücke wurden nun rausgesammelt, ansonsten wird alles Gefundene wieder unter der Packlage begraben. Ein herausforderndes Angriffsziel für die Wildblumensamenbömbchen der Guerilla-Gärtner!