Paris Bar: Jetzt raucht Würthle im Künstlerhimmel eine Kippe mit Kippenberger
Michel Würthle, Gründer und Betreiber der Paris Bar, des legendären West-Berliner Kunst-und Partyorts in der Kantstraße, ist gestorben. Ein Nachruf.

Vor wenigen Wochen erst schwärmte die Gastro-Kritikerin der Berliner Zeitung, Tina Hüttl, von der Paris Bar und dem Speisen wie Gott in Frankreich, wegen der edlen französischen Küche. Dort Gast zu sein, sei wie eine Zeitreise. Das ganze Lokal ein Mythos. Und nur wenige Restaurants würden so zuverlässig für Schlagzeilen sorgen wie die Paris Bar - beliebt bei Promis aus Mode, Film und Kunst. Die Paris Bar in der Kantstraße gilt als gepflegte Partyhölle und war fürs alte West-Berlin sozusagen das, was heutzutage das hippe Grill Royal nahe Schiffbauerdamm im Osten ist.
Das älter gewordene Stammpublikum jedenfalls blieb dem legendären Ort fürs französische Speisen, Feiern und dem Kunst-Genuss treu. Diesem Refugium, in dem der diskrete Charme der Bourgeoisie und ihrer Entourage (Kunst geht bekanntlich nicht nach Brot, sondern nach Hummermayonnaise) auch mal indiskret werden durfte. Und „die Seele von‘s Janze“, da, wo die Kellner in ihren blütenweißen langen Schürzen elegant vom Hochdeutschen ins Berlinern zu wechseln imstande sind, war ab 1979 der Österreicher Michel Würthle.

In seinem Restaurant mit Gourmet-Niveau dinierten Gina Lollobrigida, Sophia Loren, Madonna, Yves Saint Laurent, Yoko Ono, Leonardo DiCaprio, Robert De Niro. Ebenso Bildkünstler wie Damien Hirst , Markus Lüpertz, Georg Baselitz, die Professoren und Jungstars der Westberliner Hochschule der Künste, um ihre Vernissagen zu feiern.
Eine „Traumhölle“, wie Stammgast Heiner Müller die Paris Bar einmal nannte. „Bis Mitternacht entspricht (sie), nach der Weltordnung Dantes, der oberen Hölle, die der Maßlosigkeit geweiht ist.“ Und für Extremkünstler, Bürgerschrecks und Alles-Verwerter wie Dieter Roth und den Maler, Trinker und Kettenraucher Martin Kippenberger war die Paris Bar gar zweite Heimat. Und der noble Wirt, der selber an der Wiener Kunstakademie ein paar Semester Malerei studiert hatte, war ein großmütiger Mäzen. Die Kreativen zahlten ihre Zechen einfach mit Kunst. Würthle, der obsessive Sammler, brachte die Bilder alle in Petersburger Hängung an die Wände. Ob er stand oder saß, elegant gekleidet, im Gespräch über Kunst, Gott und die Welt, Abend für Abend zwischen den weißgedeckten Tischen.
Nun ist Michel Würthle in der Nacht zum 16. März an seiner schweren Erkrankung gestorben. Er wurde 79 Jahre. Vor genau einem Jahr hatte er sein „Lebenswerk“ noch in sechs großen Bildbänden (Steidl Verlag) verewigt. Seine engsten Wegbegleiter trauern. So Axel Haubrok, Kunstsammler und Betreiber des Lichtenberger Kunst- und Gewerbehofes „Fahrbereitschaft“. Er war nicht nur Stammgast und hatte sich in der Paris Bar immer als „temporärer Bestandteil des Kunst-Interieurs“ gefühlt. Er hatte mit dem Freund in den letzten 15 Jahren auch noch etliche gemeinsame Ausstellungen auf die Beine gestellt. Nun ist alles nur noch Erinnerung, und so wird Michel Würthle halt mit Martin Kippenberger oben im Künstlerhimmel genüsslich weiterrauchen.