Ein Pionier der Medienkunst: Zum Tod von Peter Weibel

In Wien wurde er zum Performance- und Videokünstler. Fast ein Vierteljahrhundert prägte er das ZKM Karlsruhe. Nun ist Peter Weibel gestorben.

Medienkünstler Peter Weibel (1944–2023), Leiter des Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) bis 2022
Medienkünstler Peter Weibel (1944–2023), Leiter des Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) bis 2022Uli Deck/dpa

Seine Haupteigenschaft sei „die Geschwindigkeit“, sagte Peter Weibel, als ihn jemand fragte, wie er das bloß alles auf einmal schaffe: diese brillanten Konzepte für die Medienkunst, den kompromisslosen Einsatz für das weltweite Renommee und die permanente Weiterentwicklung des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medien (ZKM). Fast ein Vierteljahrhundert diente er der Institution als Direktor, sorgte vor allem für die Öffnung im Blick auf gesellschaftliche, ästhetische und politische Themen, machte das Haus zu einer Drehscheibe digitaler Kunst.

Wo immer er auftrat – er war stets auf neuestem Stand. Und mit diesem Tempo sprach er auch: In rasend schnellen, klaren Sätzen und sprudelnd vor Ideen gab er seine Meinung zu Kunst und Welt kund, begründete seine Ansichten präzise und im gleichen Speed, wie er Lösungsvorschläge machte. Und er verlor, selbst noch bei unprofessionellster Gegenrede, nie die Contenance und den Humor.

Ich kam einmal in den Genuss, ihn zu erleben, auf einer Kunstkonferenz während des glücklosen UN-Klimagipfels 2009 in Kopenhagen. Sein Vorredner und Kollege von der Karlsruher Hochschule für Gestaltung, der Philosoph Peter Sloterdijk, hatte einen sehr langen, etwas kapriziösen Vortrag über das „Raumschiff Erde“ gehalten, Bezug nehmend auf Buckminster Fullers poetisch-dystopische Schrift. In der Zuhörerschaft rumorte es. Weibel, im karierten Hemd, das Jackett auf der Stuhllehne, brachte die ausschweifende Rede seines Vorgängers mit wenigen, schnell in die Runde geworfenen Sätzen auf den Punkt: Es sei gerade auch die Medienkunst, die der Rettung des Planeten auf direktem Wege dienen müsse.

Derart direkt hatte der im ukrainischen Odessa geborene Österreicher sich schon in jungen Jahren für die fortschrittliche, doch damals noch überaus provokante Performance- und die Videokunst, gleichzeitig für die Gleichberechtigung der Künstlerinnen eingesetzt, dies ohne den Skandal zu fürchten: So ließ er sich von der Feministin Valie Export 1968 für das berühmte Video „Mappe der Hundigkeit“ an einem Hundehalsband durch Wien spazieren führen. Eine Aktion, die ihm damals ein großer Teil der sich für die Krone der Schöpfung haltenden Männerwelt übel nahm, ihn aber heute auszeichnet.

Weibel hat im Laufe seiner Karriere in Wien, Kanada und New York gelehrt und leitete auch schon das von ihm gegründete Institut für Neue Medien an der Städelschule in Frankfurt am Main. Das ZKM dankte ihm für seine Arbeit 2019 mit einer Retrospektive. In 400 Werken war er als Aktions-, Video-, Sound- und Fotokünstler und als Medien-Wissenschaftler zu erleben. Kommenden Sonntag wäre Peter Weibel 79 Jahre alt geworden, doch am Mittwoch ist er nach kurzer schwerer Krankheit in einer Karlsruher Klinik gestorben.