Protest auf Berlin Biennale: Künstler stören sich an Folterbild-Werk
Ein auf der 12. Berlin Biennale gezeigtes Werk mit Bildern aus Abu Ghuraib verursachte Empörung irakischer Teilnehmer. Eine Kuratorin ist aus Protest zurückgetreten.

Seit Mitte Juni sind in den Rieckhallen am Hamburger Bahnhof, an einem der Orte der 12. Berlin Biennale, die labyrinthischen Stoffbahnen des 86-jährigen Franzosen Jean-Jacques Lebel zu sehen. Die mit fotografischen Folterszenen durch süffisant quälendes US-Militär bedruckten Tücher tragen den Titel: „Lösliches Gift. Szenen aus der Zeit der amerikanischen Besatzung in Bagdad“.
Die krasse Arbeit des alten Pariser Politikaktivisten mit den damals von prahlenden US-Soldaten online gestellten oder von ehemaligen Häftlingen veröffentlichten Fotos aus dem erst 2014 geschlossenen Foltergefängnis Abu Ghuraib wurde in Biennale-Rezensionen bisher kaum mit Erregung erwähnt. Die Szenen sind bekannt. Vielleicht ist unser Sehen auch einfach schon abgestumpft? Nach den Medienbildern aus Afghanistan, Syrien, nun aus der Ukraine.
Jetzt aber wurde bekannt, dass es zu Streit und Verwerfungen im Biennale-Team um Kader Attia kam. Eine der Co-Kuratorinnen, Ana Teixeira Pinto, ist gegangen. Irakische Biennale-Teilnehmer um die Künstlerin Rijin Sahakian prangern in einem offenen Brief die Verletzung der Würde der in Lebels Werk Gezeigten an. Diese seien weder von Lebel noch von den Kuratoren um Erlaubnis gefragt worden. Lebels Arbeit sei eine „rücksichtslose Reproduktion der Verbrechen der Invasoren“.
„Wem wird bei dieser Form der ‚Wiedergutmachung‘ ein Mitspracherecht eingeräumt?“, fragen sie, und antworten: „Sicherlich nicht den irakischen Opfern auf den Fotos, nicht den irakischen Künstlern […] Und auch nicht den irakischen Betrachtern, die durch diese gefühllose Neuinszenierung eines der berüchtigtsten Kriegsverbrechen der Vereinigten Staaten re-traumatisiert werden.“
Die Biennale-Leitung reagierte nun darauf, platziert die Werke neu. Die Bildästhetik des Politaktivisten Lebel kann man allerdings so oder so finden. Aber eine Biennale, die sich explizit politisch erklärt, ist sicherlich kein künstlerischer Genusswettbewerb. Sie müsste auch schwierige Kunst aushalten. Immerhin: Auch Goya malte Erschießungen, Dix die aufgerissenen Leiber toter Soldaten, Fotos von Erschießungen im Vietnamkrieg wurden zu Anti-Kriegs-Ikonen. Dürften Fotos der Opfer von Butscha in den Kunstkontext gebracht werden? Politische Kunst braucht Freiheit, nicht (Selbst-)Zensur. „Zeige Deine Wunden“, hat ein großer politischer Aktionskünstler mal gefordert. Es war Joseph Beuys.