Gabriela Walde: Ihre Texte zur Kunst schrieb sie zuerst für die Leser

Viel zu früh starb die Berliner Kunstkritikerin Gabriela Walde. Ein Nachruf auf eine geschätzte Kollegin. 

Gabriela Walde (1962–2023)
Gabriela Walde (1962–2023)Reto Klar/Berliner Morgenpost

Die Berliner Kunstszene hat Grund zu trauern. Gabriela Walde, seit mehr als 30 Jahren immer neugierige, offene, nahbare Begleiterin und fröhlich abgehärtete Beobachterin der Blüte und Krisen, der Trends und (meist politischen) Peinlichkeiten in der disparaten Kunstmasse dieser Stadt, ist gestorben. Einfach so ist sie in dieser Woche gegangen, ohne Aufhebens, ohne Lamento über die seit wenigen Jahren getragene, unheilbare Krankheit. Die sahen wir ihr nicht an, der Mädchenhaften, Schicken, die mit 61 immer noch aussah wie mit 40.

Seit anderthalb Monaten schon hatten wir Kolleginnen und Kollegen der im Zeitungswesen recht überschaubar gewordenen Berliner Kunstschreiber-Zunft uns auf wichtigen Ausstellungen gefragt, wo sie denn bleibe. Mit ihr über das Gesehene zu reden, war immer ein erfrischendes, erhellendes, dabei völlig konkurrenzloses Erlebnis. Oft waren wir unter Termindruck, aber für einen Plausch, die Frage, wie’s so geht, was gerade anliegt, auch privat – und einen kurzen Austausch über die Kunst –, war immer Zeit. Und während ich noch hin und her überlegte, wie ich die schiere Menge surrealistischer Bilder in den Sälen des Potsdamer Museums Barberini oder die martialischen Kettenschaukeln der feministischen Bildhauerin Monica Bonvicini in der Neuen Nationalgalerie für meine Leser anschaulich und fassbar in einen 160-Zeilen-Artikel packen könnte, hatte sie meist ihre messerscharfe Einschätzung schon in sechs Sätzen parat: Klar, klug und immer originell formuliert.

Ausgerechnet am Internationalen Frauentag, noch fassungslos wegen der Todesnachricht, suche ich nach Worten für den Nachruf. Gabriela Walde war bis 2018 die Kunstfrau im Feuilleton der Berliner Morgenpost. Die Sparpolitik im Zeitungswesen trieb sie ins freischaffende Dasein. Nunmehr lasen wir ihre Texte zur Kunst im Berliner Stadtmagazin tip, auch in der Zeitschrift Weltkunst, so zuletzt am 23. Januar, darüber, wie die Wiener Albertina auf die Afrikabilder der Malerin Ruth Baumgarte blickt. Wie immer waren es gleich die ersten Sätze, ein geordneter Strudel an munter formulierten Gedanken und Empfindungen, mit denen Gabriela Walde ihre Leser in den Text hineinzog.

Sie hatte ihre Journalistenausbildung bei Wolf Schneider an der Henri-Nannen-Schule gemacht, bei ihm gelernt, dass schon der Textanfang das A und O ist. Beim Schreiben dachte sie immer zuerst an ihre Leserinnen und Leser, Kunstlaien, mit denen sie quasi durch die Ausstellungen, durch die Ateliers ging, nicht an diskurstheoretische Erwartungen der Fachgemeinde. Wie oft haben wir uns bei allzu verschwurbelten, verkopften Eröffnungsreden über das knäckebrottrockene „Kuratoren-Latein“ geärgert, aber auch lustig gemacht darüber, dass wir nun wieder diese Apotheken-Beipackzettel zur Kunst übersetzen müssten. Ach, Kollegin Gabriela, wie mir das fehlen wird!