Wie ein Trauma durch die Generationen geht: „Was dich spaltet“
Bernadette Conrad, Journalistin und Autorin erzählender Sachbücher, spricht über ihren ersten Roman.

Die Bücherfrage dieser Woche geht an eine literarische Debütantin, die vielen Leserinnen und Lesern der Berliner Zeitung durch Reportagen und Buchrezensionen vertraut sein dürfte. Auch hat sie schon mehrere erzählende Sachbücher veröffentlicht, zum Beispiel über die Schriftstellerin Paula Fox oder über „Die kleinste Familie der Welt“ – über die Frage, wie man alleine mit Kind glücklich wird. Nun also ein Roman: „Was dich spaltet“, der gerade bei Transit erschienen ist. Bernadette Conrad, wie kommt es, dass Sie sich jetzt an diese Form gewagt haben?
Bernadette Conrad: Vor zehn Jahren etwa fing ich an, mich mit dem Thema junger Soldaten zu beschäftigen. Mein eigener Vater war noch zwei Jahre im Zweiten Weltkrieg gewesen. Meine beiden Eltern waren Flüchtlinge aus dem Osten. Dieser biografische Hintergrund hat mich einerseits auf eine Recherche-Spur geführt und anderseits zu der Frage, wie man sich überhaupt solch einem Stoff nähern kann. Da bietet der Roman die denkbar größte Freiheit, Figuren zu entwickeln und die Komplexität zu fassen: Wie prägend sind diese Geschichten von Krieg, Flucht und Neuanfang?
2008 habe ich in Gdańsk (Danzig) für einen Artikel in der Zeit zum 50. Geburtstag der „Blechtrommel“ recherchiert und dort also erstmals nach den Spuren des deutschen Danzig gesucht. Die Reise hat mich sehr berührt. Ich bin dabei wie zufällig in das Dorf gelangt, wo meine Großeltern gelebt haben. Viele Wege, die Grass mit seinen Büchern und Begegnungen schon gespurt hat, haben mir dabei geholfen. Ein Beispiel ist das Gymnasium Conradinum, das im 18. Jahrhundert gegründet wurde, in dem heute immer noch Schulbetrieb ist. Grass ist dort zur Schule gegangen, mein Vater auch. Heute wirkt es, als würde dort ein Land dem anderen die Hand geben.
Ich habe angefangen Polnisch zu lernen, um mich dort nicht im Stile deutscher Heimattümler zu bewegen. So, wie ich Berlin immer als eine verwundete Stadt empfinde, in der man viel über europäische Geschichte lernen kann, sehe ich auch Danzig. Die Schichten der Vergangenheit sind noch erkennbar dort.
Es hat lange gedauert, bis ich die richtige Form gefunden habe. Der Roman entspricht meiner Suche danach, wie Dinge zusammenhängen. Wie sich also zum Beispiel Spannungen in Geschwisterbeziehungen entladen, wie transgenerationale Traumata wirken, kurz, es geht um die Frage: Wie geht eine jüngere Generation mit dem Erbe nicht verkrafteter und vielleicht nicht verkraftbarer Erfahrungen um?